Jetzt aber holla, die Waldhornbürste! Kaum fängt der Krawall eine halbe Stunde später an, ist die Berichterstattung noch später dran und schlüpft als allerletzter zugelassener Zeuge zur Tür hinein. Drinnen, im großen Festsaal von dem guten alten KOMM feuert bereits die Marching Band des TSV Lauf aus allen verfügbaren Rohren und Kesseln. Werner Amadeus Beethovens „Highway to hell“ schmettern die lustigen Uniformierten beider Geschlechter und hoffentlich beider Ufer. Der Pegnitz nämlich, links und rechts. Beim Anblick der tschingdarassierenden Truppe schiebt sich ein vehement verdrängter Gedanke wieder in den Vordergrund meines Bewusstseins: es ist der Dienstag vor dem Aschermittwoch! Postwendend verkündet der Kapellmeister, der über mehr Energie zu verfügen scheint als ein frisch entkorkter Vulkan, dass ein Stück noch käme, zum Mitgröhlen, denn schließlich sei Fasching, gleichwohl nach 20 Minuten dann leider Schluss sein müsse, denn dann gäbe es nur noch Comedy. Aber ehe der große Meister aller Gewichts- und Führerscheinklassen das Ruder der altehrwürdigen Comedy Lounge übernimmt, steht im bis zur letzten Fensterbank vollbesetzten großen Festsaal im KOMM jedes anwesende Wesen noch einmal auf und wackelt fröhlich mit. Zu einer der Stadt Lauf und dem Erdkreis zu höchsten Ehren gereichenden Version von „Hang on Sloopy“.
Nun stützt sich ein anscheinend erfreulich schlecht gelaunter M. Egersdörfer aufs Rednerpult, um das intellektuelle Niveau der Anwesenden der dringendst erforderlichen Fundamentalkritik zuzuführen. Wie immer mit einem verheerenden Ergebnis, doch zunächst nur so von oben herab und so allgemein, dass der eine oder die andere da schon aufgeatmet haben mag und gemeint, der Spaziergang des Schreckens falle diesmal aus, weil Bahnhofsnähe und Fasching, oder kein Bock oder was auch immer. Aber Pustekuchen: die erste Reihe kommt schneller an die Reihe, als sie denkt, genauso wie die äußersten Plätze des Seitenflügels - niemand hat eine Chance, seine schludrigen Verfehlungen und Verbrechen vor den scharfen Augen des Meisters zu verbergen. Dies muss wieder einmal ganz klar festgestellt werden, zukünftigen Generationen zur Warnung! Frisurkontrolle, Brillenkritik, Herkunftsnachweise, eine Analyse der durchsichtigen Hemdchen junger, von den Vätern bewachter Damen - niemand bleibt ungeschoren, nichts bleibt unentdeckt. Vielmehr wird ins Licht des Scheinwerfers gezerrt, was angeprangert werden muss und nichts sonst als das. Der Reigen kulminiert in einem Gipfeltreffen zweier Giganten des fränkischen ShowBiz: plötzlich und unerwartet stehen sich der fest im KOMM installierte Hausbarde, Gymmick, und der wunderbare Moderator des Abends Aug in Aug gegenüber. Bruderkuss vor laufenden Kameras, Fahnen, Fanfaren, feuchte Lippen - wir freuen uns auf die nächste Machtergreifung. Zumindest dann, wenn sie im Kulturverein Winterstein ihren Ausgang nehmen sollte. Der Beherrscher der Massen verausgabt sich indes zum ersten Mal an diesem Abend restlos und muss frische Kräfte sammeln. Er fläzt sich daher auf einen für die Comedy Lounge absolut neuen und unfassbar innovativen Ausrüstungsgegenstand: ein schwarzes Ledersofa, welches bereits vom Leibes-Double und Praktikus des Meisters, P. Balthasar, Moll bzw. dessen Hinterteil vorgeformt sowie -gewärmt wird. Stoisch, mit vor Erschöpfung verödeten Antlitzen sinken die zwei alten Recken in die schweinslederne Kuhle, so cool, als hätten sie einen Gesellenbrief im Gammeln und Luftlöchergucken, und beginnen, dem Vortrag eines nun auftretenden Herrn Max Uthoff zu folgen.
Kein den Geist über die Maßen beanspruchendes Unterfangen, wie ich finde, denn Herr Uthoff vermeidet jede Hürde, welche seinem Publikum Schwierigkeiten bereiten würde, seinen Witzeleien zu folgen. Überhaupt: mich überkommt plötzlich das Gefühl, einer Fernsehaufzeichnung beizuwohnen - so glatt, so geschliffen und eingefettet sind Uthoffs Sentenzen und Pointen. Er spricht wie ein amerikanischer Baptisten-Prediger, der dieselbe Erweckungsbotschaft zum 666sten Male herunterleiert. Oder so, wie man sich einen hyperbezahlten Motivationstrainer für Deutsche-Bank-Vorstandschefs vorstellt - der Vortrag ist so perfekt, dass der Eindruck, hier solle eine tiefempfundene Herzensbotschaft vermittelt werden, für nicht den Bruchteil einer Sekunde aufkommen kann. Fernsehaufzeichnung – ja, das trifft es, und zwar für den grauhaarigsten aller Sender, das ZDF, denn ein Ausbruch aus dem ewig-und-drei-Tage abgestandenen Tümpel des Papst-Islam-schwule-Fußballspieler-Biolebensmittel-Zirkels wird nicht einmal angedeutet. Nein. Das ist synthetische Comedy, bildungsbürgerkompatibler Mainstream, ohne Biss noch Eigengeruch, wie Orwells mechanische Versifikatoren ihn ausspucken würden, stünden sie dem Komisch-Industriellen-Komplex zur Verfügung. Ob's am zementgrauen Anzug lag? Naja … mein Bedarf an Witzen über Jugendliche in Fußgängerzonen ist jedenfalls ab sofort und für dieses Leben gedeckt.
Mit maximalem Kontrast dann der Meister persönlich - der sich mühsam aus den Tiefen der Couch in eine mittelmäßig aufrechte Haltung schraubt: geschickt antäuscht Herr Egersd., indem er beiläufig über den schwarzen Kaffee seiner Jugend plaudert. Über die unanzweifelbare und daher nicht mehr wirklich zu thematisierende Charakterlosigkeit der Kaffeeplörre-Schenkstationen, von Monsieur Coffee bis Black O'Cup, und wie sie alle heißen wollen. Über die Wut auf den zusammengeknautschten Mann, der unverschämt genug war, in des Meisters knapp bemessener Pause einen Sterbeversuch anzudeuten. Und über Wunschphantasien von einer Ehrenbürgerschaft der Stadt Fürth – das ist nicht seicht, aber auch noch nicht spektakulär. Doch der erfahrene Beobachter weiß: er will Dich nur einlullen, der Schlawiner, will Dich in Sicherheit wiegen, dass Du nichts anderes mehr antizipieren magst als harmlose Brüller - um dann wie ein angesengter Marder aus dem Bau zu fahren und mit nadelspitzen Zähnen das ganz-ganz große Gefühl zu packen: indem schließlich der Klingel-Boy in Erscheinung tritt, der seinem Vater hinterher klingelt. Einem unscheinbaren Vater, der solange ignoriert und übersehen wurde, bis er ernst machte und sich klingelnd in Luft auflöste. Und Euer Berichterstatter sagt: Leute, diese Story piekst Dich geradewegs ins Herz. Du vergisst darüber all den Faschingskram und Blödelspaß und fühlst mit einem Jungen und seiner Mutter, die in der Fürther Fußgängerzone bimmelnd Vater und Ehemann suchen. Wieder einmal zeigt uns also der Mann im roten Hemd, dem langsam das Haupthaar entschwindet, wo der Hammer hängt. Und das ohne jeden Skrupel am Faschingsdienstag vor einem Faschingsdienstagspublikum.
Anschließend nahte die Stunde des Heilands. Genauer: des Herrn C. Heiland, der nur mit einem Omnichord bewaffnet sich niederlässt auf einem windigen Stuhl, vor ein gebrechliches Mikrofon und anhebt, ganz lieblich zart zu singeln und sangeln, orchestriert vom zuckersüßen Elektro-Plim-Plim aus dem untersten Kreis der japanischen Synthesizerhölle. Prompt stürzt uns dieser Mann in Verwirrung. Er harft und säuselt wunderhübsch, doch zum einen basiert die musikalische Komik schlicht und einfach auf der Albernheit des Instruments, ist somit alles andere als genuin; zum anderen strotzen die Texte inhaltlich von recycelten Herrenwitzen („Frau mit Oberlippenbart“) und aufgewärmten Kalauern aus Zeitaltern, in denen die musikpädagogische Früherziehung noch nicht auf asiatischen Platinen sondern auf ausgehöhlten Baumstämmen basierte. Irgendwo zwischen Francoise Cactus, Reinhard Mey und Peter Licht scheint dieses Berliner Pflänzlein aufgewachsen zu sein, und es weiß wohl selbst am besten, wo und wie es seine Vorbilder und Anleihen auserwählte. Doch wie gesagt: in tiefe Verwirrung stürzt uns dieser Heiland. Denn allen inhaltlichen Untiefen zum Trotz – dieser Mann verströmt Charme ohne erkennbares Ende, er ist der wandelnde Quell einer Art Harmonie-Strahlung, in deren Feld man sich einfach wohl fühlen muss. Spätestens nach der Pause bei der zweiten Erscheinung des Heilands wird es evident: sowie Du aufhörst, Dich gegen seinen nonchalant geklimperten Zuckerguss zu wehren, und Dein Seelchen von seinem samtenen Gesäusel streicheln lässt, willst Du mehr davon hören. Viel mehr. Daher sage ich: bitte so weitermachen. Genauso. Danke. Apropos Pause.
Und apropos Berlin! Reichte das Pausenbier gerade hin, um die schon vor Vergnügen glühenden Köpfe der Meute einigermaßen abzukühlen, explodierte direkt nach der Pause ein wahrlich fulminantes Spektakel: denn der unverwechselbare Bird Berlin trat ans Mikrofon, mehr als die Hälfte nackend, wie ja immer, die stammen Beinchen in ein klaustrophobisch enges Strampelhöschen gepresst, ein goldenes Herz auf die bärenbreite Brust gesprenkelt. Ein Anblick wie der eines antiken Gottes, der nur mal auf einen Sprung von einer abartigen Orgie im Dionysos-Tempel nebenan vorbei schaute. Nur das Bündel Weintrauben hinter dem Ohr fehlt noch, aber das kommt ja vielleicht auch noch irgendwann. Bird singt Sachen wie „Du bist ein Baum, und ich nur ein Berg“, und er tanzt und rennt um die Bühne, dass man es einfach gesehen und gehört haben muss. Ein Mensch ohne Doppeldeutigkeit, die Verkörperung der reinen Unverfälschtheit. Drei wunderbare Stücke später sinkt er atemlos neben den Gastgeber aufs Sofa und bekommt von Egersdörfer ein Kompliment, das wohl nicht so schnell übertroffen werden wird: „Du machst etwas besseres als Comedy. Etwas reines und schönes.“ Und dann drückt der Meister Bernd Pflaum alias Bird ein Interview auf's Auge, das dieser ebenso brillant pariert wie es ihm elegant entgegen schwillt. Wieso überhaupt noch jemand den Talkshow-Dreck im Fernsehen ansieht, verstehe ich nicht. Exakt hier, auf dem Sofa, zwischen diesen beiden ansehnlichen Männern, die noch unendlich viel mehr als ein abgebrochenes Studium und ein sicherer Instinkt zum künstlerischen Wirkungstreffer vereint (Ausnahme: Frisur), findet etwas statt, das die Kuh des Geistes hoch hinauf fliegen lässt, glatt bis in die Stratosphäre. Oder was auch immer. In jedem Falle: großartig! Auf die Video-Aufzeichnung, vom grandiosen Tausendsassa Martin Fürbringer sorgfältigst angefertigt, dürfen wir uns auch diesmal wieder freuen!
Ja – und dann blieb noch einer übrig, der da hatte noch nicht zum Volke gepredigt noch selbiges an seiner unendlichen Weisheit teilhaftig werden lassen, und der trat jetzt nach vorne und sprach. Der wunderbare und großartige Philipp Moll war es, „directly out of the heart of Nürnberg Südstadt“, der nun das Wort ergriff, mit offenem Haar und einem breiten Grinsen im Gesicht. Sei es aus einer ungeheuer tief verwurzelten Bescheidenheit heraus, sei es, weil er sich in den letzten Tagen und Wochen, vor allem in der Comödie in Fürth vollkommen verausgabt hatte – Moll fasste sich kurz, dieses Mal. Er, der so unendlich viel zu melden hätte, hielt sich zurück, ließ sein Licht nur für kurze Augenblicke auflodern, vermutlich aus purster Feinfühligkeit, um die außergewöhnlich hochkarätige Agglomeration seiner illusteren Kompagnons nicht in allzu finstere Schatten zu hüllen. Es begab sich nämlich, dass die Nürnberger Zeitung endlich die schreiend grellen Zeichen des Himmels erkannte und ab sofort regelmäßig unter dem Titel „Molls Material“ eine Kolumne abdruckt, prall gestopft mit Weltweisentum und Lebenskenntnis. Und für all diejenigen Menschen, welche Unglück und arges Siechtum durchleben mussten, indem sie der ersten Erscheinung des Mollschen Materials nicht gewahr wurden, trug vor Philipp Balthasar sein Textlein, welches da überschrieben sei mit „Bröckerle der Herzen“ und scharfen Sinnes die Erkenntnis gebieret, dass die neuen Fahrkartenautomaten des Nürnberger Verkehrsverbundes vor allem nur eine einzige Empfehlung materialisieren, nämlich lieber zu Fuß zu gehen und die mühsam erworbenen Taler beim Metzger gegen Wurstwaren einzutauschen. Dass davon alle etwas hätten, und niemand nichts, schlussfolgert Moll unwiderlegbar. Zu hoffen bleibt, dass die NZ die Wahrheit, welche Herr Moll kundtuet, länger überleben möchte, als die dahingeschiedene Abendzeitung seligen Angedenkens. Auf eine köstliche Kostprobe der Molligen Lyrik allerdings warten wir vergebens. Wohl müssen wir kaum hinzufügen, dass wir dies ausdrücklich bedauern!
Denn letzten Endes folgte der schon weiter oben hinlänglich gewürdigten zweiten Erscheinung des Heilands viel zu früh der furiose Schluss. Der Charmanteste Gastgeber aller Zeiten (ChaGaZ) sowie seine erlesenen Gäste baden im nicht enden wollenden Applaus, und gleichsam als ein Ausblick in eine güldene Zukunft formiert sich da quasi wie von blinden Nornen eingefädelt mitten auf der Bühne eine großartige Boy Group: Vier Männer, die wie füreinander gezeugt worden zu sein scheinen, einander umarmend, streichelnd und drückend. Wahlbrüder im Geiste wie an Gestalt: Bird Berlin, Matthias Egersdörfer, Philipp Moll und C. Heiland (letzterer welcher allerdings noch ein wenig zulegen dürfte!). Nicht auszudenken, was diese Gebrüder Dalton der Humoreske im Verein nicht alles zu erreichen im Stande wären! Gespannt darf man demnach sein und gespannter, auf die nächste Lounge, freilich wieder im Festsaal des guten alten KOMM zu Nürnberg, am 12. März, und zwar – wenn bis dahin nichts anderes verlautet – zur gewohnten Stunde um 20 Uhr.
Das Jahr fängt ja gut an! sprach Wallenstein. Und meinte es haargenau so, wie er es sagte. Denn pünktlich zum zwoten Dienstag im Monat verwandelte der gute Meister Robrock seine Halle in Muggenhof wieder in einen funkelnden Hort der Gastlichkeit. Bzw. ließ verwandeln. Fleißige Helferlein hatten mühesam Bier und lecker belegte Brote herbei geschleppt, sie hatten eingeheizt und aufgebaut und darüber nicht einmal vergessen, ein paar Löchelein im Dächelein unverstopft zu lassen, auf dass es fröhlich tropfe und vereitele, dass rüpelhafte Mitglieder des Publikums gar zu ausgelassen werden mochten.
Mit Schwung so frisch, wie das Blut aus einer geschächteten Ziege spritzt, dampft er dann auch pünktlich um acht herbei und herein, der Meister Egersdörfer. Kampfeslust funkelt in seinen Äugelein, er zischt und pirscht und stößt – hastesnichtgesehen! - herab auf den ersten Patienten im Wartesaal des Demütigungsspaziergangs.
Ich meine, im Wesentlichen sind es einerseits nur schöne Frauen, vielleicht sogar die schönsten der Welt, und andererseits nur alte Säcke, eventuell sogar die ältesten Säcke der Welt, die zur Comedy Lounge kommen. Und die hätten sich doch bequemen können, vorher zum Friseur zu gehen, sich den Schädelteppich auf Vordermann bringen zu lassen. Aber nein! Obwohl der gütigste Herr Egersdörfer sogar noch einen Segenswunsch zum neuen Jahr hinwirft, der Meute vor die undankbaren Füße, sitzen da Kerle, die sich die Haare mit China-Böllern ondulieren, und Damen, die krakeelen, die Eintrittskarte „leider zu Weihnachten geschenkt“ bekommen zu haben. Wie bitte? Wo sind wir hier eigentlich? Dass nicht einmal Weiber mit ordentlichen Stiefeln anwesend sind, macht den Hund respektive die Enttäuschung schon nicht mehr fett – es fängt gut an, das Jahr, in der Tat!
Sogar der barmherzigste aller Gastgeber sah sich da an die Zerreißgrenze seines Geduldsfadens gezerrt. Der Fäkalsprache war daher der rote Teppich praktisch von Anfang an ausgerollt, das Wort „Arschloch“ fiel im Laufe des Abends ca. 137 mal und jedes mal zurecht, wie ich finde, aber vielleicht nur deswegen, weil ich gerade einen Selbstversuch auf dem Gebiet der Nahrungs- und Genussmittelverweigerung mache. Mit drei Bier und einem Schweinsbraten im eigenen Leib sowie einer Kippe im Mundwinkel wirkt der Mitmensch erstaunlich häufig halbwegs erträglich. Ohne all dies seltenst, wie ich derzeit entdecke.
Der Meister höchstpersönlich erklimmt im Handumdrehen den ersten Gipfel des Abends. Den begriffsstutzigen Pöbel im Saal am intellektuellen Schlafittchen gepackt, zieht er selbigen hoch und schreckt ihn gründlich auf. Indem er namentlich sein Grausen und die abgrundtiefe Beleidigung alles Schönen und Guten aufführt, die ein Besuch der Sauna im „Fürther Mare“ mit sich bringt.
Als wäre die Vergabe des Namens „Fürther Mare“ nicht alleine schon hinreichend für zwei bis drei standrechtliche Erschießungen, schlägt ein lügenhaft benannter „Ruheaufguss“, der mit peruanischer Panflötenmusik ad perversum geführt wird, endgültig dem Fass den Boden aus, das durch Egersdörfers wahrhaft großen Kopf zwitschert.
Doch der Inhaber dieser gewaltigen gedanklichen Unwucht hat am Ende keine Kraft mehr. Es reicht gerade noch, die unqualifizierte Einmischung eines kleinköpfigen Mitgliedes der Zuhörerschaft entschieden zu unterbinden. Bloß die erotischen Phantasien des Meisters, auf die der ganze Saal bis zum Bersten begierig wartet, die erfahren wir - nicht.
Große Enttäuschung! Aber: Hoffnung aufs nächste Mal! Und: Chapeau! Das war wieder eine Nummer, wie nur ein Egersdörfer sie bringen kann. Von mir daher die Goldmedaille im olympischen Zeigen-wo-der-Hammer-hängt!
Es tropft inzwischen immer stärker von der Decke, weswegen dem einen neue Haare zu wachsen beginnen, während eine andere sofort anfängt zu rotzen, und dafür den mehr als gerechten Zorn des überarbeiteten Conferenciers auf sich zieht.
Wen das alles nicht stört, ist ein gewisser Helmut A. Binser. Er heißt leider nicht Adolf mit zweitem Vornamen, sondern Arschloch, und er spielt Akkordeon, aber meist nur mit einem Arm. Mit dem anderen muss er Bier trinken, und weil er aus der Opferpfalz stammt und dort offenbar nichts anderes gelernt noch geerbt hat, beschäftigt er sich mit dem Saufen als solchem. Binser verklappt einen kompletten Kasten Bier heute Abend, kann aber bis zum Schluss noch erstaunlich klar das artikulieren, was in seiner Heimat als Sprache gilt.
Anfangs drehen sich seine Vorreden und Lieder nur um nicht wirklich interessante Themen: Alkohol, Polizei & Führerscheinentzug. Männer, die Frauen am Valentinstag keine Blumen schenken. Das „Lied vom Himmel“ zitiert zum hundertsten mal die Vorstellung, dass, wer auf Sex, Drugs & Rock'n'Roll stehe, in der Hölle besser bedient sei als im Paradeis. Als ob Thoma nicht schon im Jahre 1911 (!) den Münchner im Himmel geschrieben hätte, als ob „Himmel“ und „Hölle“ überhaupt noch als einander konträre Entitäten in einer gründlich säkularisierten Welt die notwendigen Konnotationen besäßen, damit ein „Witz“ im Spannungsfeld zwischen jenen funktionierte! Und ein weiteres Liedlein gegen den Schönheits- und Markenwahn der Postmoderne ist heutzutage, wo schon die Bildzeitung darüber Witze reißt, halt so interessant wie ein frisch gescheuerter Wirtshaustisch.
Musikalisch allerdings passen die Lieder zur Stimmung, die Reime sind gut bis prima. Schnell wird offenbar, dass hier einer - mit allen Vor- und Nachteilen - den Pfaden des großen Fredl Fesls folgt, vor allem im zweiten Teil des Abends dann gekonnt und immer gekonnter. Dann nämlich, wenn sich Binser von den Stereotypen löst, wird er eigenständig und automatisch hörens- wie sehenswert. Die Nummer mit der Google-Brille zieht er so leger und souverän durch, dass die Täuschung für ein paar Sekunden lang gelingt – alle Achtung! Und zum guten Schluss bringt er seine Glanznummer: „Bist etz staad“ - das Lied vom Stillsein. Das würde ich mir glatt noch einmal in aller Ruhe anhören wollen.
Alsbald nahte die güldene Viertelstunde des Praktikanten, Philipp Balthasar Moll. Kaum zur Motivation, sondern vielmehr um das Publikum behutsam zu führen, hin nämlich zu der Baumfällerleiter, die es, das Publikum, besteigen muss, um sein, Molls, Niveau auch nur ungefähr erahnen zu können, berichtete M.E. davon, dass er selbst fast am selben Tage wie P.M. Geburtstag habe, und zwar ausgerechnet und völlig willkürlich zwischen Weihnachten und Neujahr verortet. Gegen Ende des soeben zu Ende gegangenen Jahres habe P.M. ihn, M.E., beinahens und um Schamhaares Breite mittels einer überaus köstlichen Linsensuppe zur Explosion gebracht, was er, M.E., durchaus als Attentat verstanden, dieses jedoch in seiner unvergleichlichen Großherzensgüte nicht zum Anlass zur Rache genommen, sondern vielmehr in eine den fränkischen Winterhimmel empor gefurzte Hymne umgemünzt habe, auf dass, ja – das Lob des Molls zum Himmel stinke.
Oder so ähnlich. An dieser Stelle wird das Gerede so komplex, dass ich kaum noch folgen kann, denn ich bin nüchtern wie die Vorhaut Christi.
Jedenfalls steht er dann da, der Moll, und hebt an zu dichten und zu sprechen. Er beginnt mit japanischer Kurzlyrik: einem Haiku, so zart und schillernd wie ein Kalbsdarm, zärtlichst gebastelt um den herzfränkischen Begriff „Läbberie“ herum, so durchscheinend, dass man dahinter überklar die Transzendenz allen Werdens und Vergehens ahnen kann, als betrachte man die Welt durch nanometrischen Zuckerguss.
Beispielsweise dem Überzug jenes Zitronenkuchens, um den sich die sich anschließende kulinarisch-politische Tirade dreht. Es ist nicht irgendein Zitronenkuchen. Es ist das Ding, das dem mystischen Rezept entstieg, einem Rezept, das sich im Besitz der Gattin des Meisters befindet.
Diese Gattin experimentiert offenbar gerne mit dunklem Materiemehl und überlichtschweren Eiern, und testet die – übrigens ganz köstlichen - Ausgeburten ihrer Hexenküche am harmlosen Sandkastenfreund (Lauf links) ihres Mannes (Lauf rechts). Jener dichtende Verträglichkeitsproband verfällt flugs in katatonische Blähungen, wähnt sich auf einem „Henkersmahlzeitenmarathon“ und gerät in halluzinatorische Jenseitssphären, da Knochengerüst wie Gebäudestatik zu knacken und zu zittern beginnen, als stülpe sich ein schwarzes Loch von alleine auf links.
Brillant schildert Moll diese Alptraumwanderung, sich höchst eloquent immer wilder steigernd in einen abstrakten Überfraß der Spitzenpolitik. Der ganze idiotische Reigen von Gauck bis Steinbrück kriegt ein so derartig hochqualitatives Fett ab, wie es der Deppenahaufen schon dreimal nie verdient hat. Doch Moll ist spendabel und unerschöpflich geistreich. Und - womöglich warnend in Richtung seines Kompagnons? - zaubert er abschließend jenen Onkel aus einer seiner ältesten Hosentaschen, der, so Philipp Balthasar M.'s Bericht, in jeder Silvesternacht einen Schuss aus seiner Dienstwaffe in den Himmel jagte, um hernach seufzend das Jahr ad acta zu legen.
Ein Diadochen-Drama deutet hier sich an, zwei Tyrannen des Wortes darin verstrickt, die einander mittels unaussprechlich köstlicher Leckereien um die Ecke zu bringen versuchen. Moll scheint die Nase knapp vorne zu haben, er ist auf Zack und er – ich hoffe sehr, dass ich mich erneut wiederhole - schweigt schnaufend tiefsinniger, als andere atemlos daher quasseln. Doch genug der ekelhaft kriecherischen Huldigung, bevor es hier zu stinken beginnt ...
Moll schreitet also siegreich von dannen, ein weiterer Altbayer erscheint im Fokus der Aufmerksamkeit und erhebt das zauselige Haupt zum Mikrophon. Und schon rumpelt ein zweites heftiges Déjà vu durchs Publikum, irgendwie schwebt plötzlich der Odem Hans Söllners im Saal.
Denn Christoph Weiherer aus München fährt genau dort fort, wo der sogenannte „bayrische Polit-Barde“ Söllner immer noch nicht aufgehört hat. Weiherer bringt lange Haare mit und einen wahnsinnigen Blick. Jeden Witz rollt er breit und breiter, bis sich der Teig mit dem großen Nichts vermischt, Interpunktion wird ersetzt durch spastisches Kichern, und ich frage mich, ob hier nicht jemand vorab zu viele Spaßzigaretten geraucht hat. Zu sehr kommt mir dieses auf winzige Details fixierte Lavieren und Bramarbasieren bekannt vor, dieser irrlichternde Hippie-Geist, der gedankenlos von Blüte zu Blüte hüpft.
Das Material, ein schier beliebiger Wirrwarr, auf dem die von Weiherer bis zur Desintegration wiederbelebten Gags fußen, scheint mir im Wesentlichen dem Fernsehprogramm entlehnt zu sein. Unumgängliche Ausnahme sind dabei Besuche im Supermarkt, um eben die notwendigen Fressalien zu kaufen, die vor dem Fernseher eingeworfen werden. Der Dude in „Big Lebowski“ macht das auch, aber er ist derweil lustig.
Immerhin: ein Stück, das mir sehr gut gefällt, ist dabei, jenes von den „vielen Antworten auf so wenig Fragen“, das Weiherer in guter alter Protestsängermanier auf der Klampfe vorklampft. Ich finde sehr gelungen, wie er sich selbst ständig unterbricht, um den eigenen Quatsch, den er singt, zu kommentieren – ein zwar auch nicht mehr taufrischer Trick, aber Raum für Pointen über Pointen bietend und manchmal sogar noch eine Meta-Stufe höher, so dass ich plötzlich und ganz aufrichtig laut heraus lachen muss. Ansonsten mein Tip: mal wieder raus aus dem Haus, ab ins echte Leben, denn in diesem Kerl steckt Talent drin, das nur ein bisschen mehr frische Luft und Abwechslung bräuchte! Die nächste Einladung in die Comedy Lounge spricht seine Monstranz M. Egersdörfer umgehend aus.
Als ein wahrer Höhepunkt des Abends erweist sich zum wiederholten Male der Interview-Teil, vom Gastgeber fachkundig und gleichzeitig mit einer rhetorischen Robustheit geführt, die ihre Entsprechung in nichts anderem als einem Lada Niva findet. Diesmal zu Gast ist der überaus sympathische und auch überhaupt nicht auf den Mund gefallene Regisseur der Nürnberger Oper, Herr Dr. Georg Schmiedleitner. Egersdörfer entpuppt sich als belesener Opernkenner, Schmiedleitner als original blutrünstiger Österreicher, dessen Inszenierung von Mozarts Don Giovanni am 26. Januar Premiere haben wird. Zumindest wenn's nach diesem Interview ginge, sollte diese Vorstellung praktisch keine alte Sau verpassen.
Nicht vergessen werden darf, zu guter Letzt, die brandneu geschaffene uralte Tradition des gespielten Witzes ganz hinten am Schluss. Die zauberhafte Carmen ersteigt die Bühne, gibt ihren Überaus komplizierten Text zum Besten und kapiert die hundsordinäre Pointe nicht. Großartig, ganz großes Theater! Der Meister entlässt das Publikum buchstäblich a tergo – sogar das muss einer erst einmal bringen! Was nun endlich geschehen ist.
Wir dürfen gespannt sein, auf's nächste Mal, nämlich am Dienstag, 12. Februar, unter anderem mit Martin Puntigam, aber auch „viele mehr“, wie die Ankündigung ankündigt, was sollte sie auch sonst anderes tun?
Also jetzt mal ganz ehrlich. Der Egersdörfer sieht zwar schon recht passabel aus. Aber dass bloß deswegen gleich eine derartig hochkarätige Besetzung ins warme Nest aus Eisen und Stahl vom Meister Robrock pilgert? Das kann nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Nicht nur dass Dagmar Schönleber aus Köln angereist kam, nein. Auch Hauck & Bauer kamen den weiten Weg von wo immer auch her zur Comedy Lounge und sogar Timur Vermes quälte sich aus dem Haus, um sich durch Eis und Schnee nach Muggenhof zu schleppen. Dabei hätten die alle zusammen das doch gar nicht mehr nötig! Vielleicht wollten sie alle zusammen auch nur den Praktikanten sehen, der dann in der Tat prompt zur Höchstform auflief, doch dazu später mehr.
Wer schon öfters das zweifelhafte Vergnügen hatte, pünktlich da zu sein, hat sich unweigerlich eine Strategie zurecht gelegt, für den Fall, dass Meister Egersdörfers popelnder Blick ihn erfasse wie der Fliegenfänger einen berüsselten Fleischwurstbomber. Für den Ernstfall, dass er, der längst gekrönte König des Spaziergangs der Schrecknis und der Demütigung, einen sich herauspicke, während er den Mittelgang vor zum Podium schleicht.
Und wen zerrte und pokelte er da nicht alles hervor, zwischen dem, was sich da auf und unter und zwischen den Stuhlreihen festgesessen hatte! Die komplette Weihnachtsfeier vom Antiquariat Deuerlein, wo nette Menschen bei netten Gehilfinnen nette Karten für die Comedy Lounge erstehen. Die allseits bekannte Frau mit den Übergangsstiefeln, die inzwischen Winterstiefel anhat, mitsamt Eingriff für die Brotzeit. Einen Mann mit Bart und einen anderen mit Frisur. Und einen dritten, dessen Frau zuhause menstruieren muss. Sowie einen ungeduldigen Nürnberger Schriftsteller, selbst ein Fürst seines Metiers, der zur Zügigkeit rät, doch damit beim Egersdörfer auf eine Kontinentalplatte der Renitenz stößt.
Ein erster Hinweis also, dass diese letzte Lounge des laufenden Jahres literarisch zu werden versprach, und der Meister himself hält das Versprechen, indem er aus seinem kleinen orangefarbenen Büchlein vorliest, das den schönen Titel „Rotkehlchen umschwirren mich" tragen darf. Er liest den ersten Teil der großangelegten Restaurantkritik, stolpert putzig durch den Text, der letzten Endes nichts als eine obschon unbeholfene, so doch grandiose Liebeserklärung an seine Gattin ist, und so ehrlich auf das Publikum herabschwebt wie frisch gefallener Schnee. Die angebetete Natalie De Ligt bringt anschließend ostentativ ihr eigenes Exemplar des Buches mit zum Mikrofon, um den zweiten Teil von „Der gemeinsame Besuch einer Pizzeria ist absolut zu empfehlen" zum Besten zu geben, und wir erfahren alsbald die ganze Wahrheit über den sauberen Herrn Egersdörfer: „Mein Mann ist lieb, aber er verdient sein Geld zu leicht." Darin gipfelt das sensationelle Enthüllungsdramolett, und frei jeglichen Neides möchte man laut rufen: recht so! Oder: egal, einfach weiter machen! Was auch immer.
Den Staffelstab reicht Frau De Ligt, die sich den großen Applaus redlichst verdiente, an Dagmar Schönleber weiter, ein Name, der auch als Pseudonym ziemlich exakt passen würde. Schönleber berichtet abwechselnd aus Köln und Ostwestfalen, bei diversen Schnurren zum ritualisierten Alkoholabusus kommen zahlreiche Lebern auf ihre Kosten, und auch das Schöne bekommt sein Scherflein rechtschaffen kredenzt, wenn über mobbende Burnies, Aulophobie und Köln-Bickendorf hergezogen wird. Was Frau Schönleber bezweckt, bleibt jedoch zunächst unklar. Will sie Kalauer über den Karneval erzählen, wie man sie sonst nur auf Karnevalsveranstaltungen hört? Ist sie die Hundertste Sozialpädagogin, die Hera Lind doof findet, aber über weibliche Befindlichkeiten der ungefähr 40-jährigen ewigen Punkrockerinnen schwadroniert? Irgendwie beschränken sich die Zutaten anfangs auf maximal unoriginelle Themen wie Männer, Fitnesswahn, in Alkohol aufgelöste Gewalt und Karneval (als Synonym für Köln). Und ich meine, dieses Gericht bereits oft, vielleicht zu oft gekostet zu haben. Doch während ich schon befürchte, als nächstes Witze über die Gentrifizierung im Prenzlauer Berg, die Bundesbahn und den Besuch des Bio-Supermarktes über mich ergehen lassen zu müssen, dreht Schönleber auf. Sie greift zur Gitarre und spielt und singt das „Liebeslied", und ich konstatiere, dass sie sich nicht zu Unrecht in die Nähe der Ärzte stellt, indem sie sich als großer Fan der Kapelle bezeichnet. Ihre Stimme wird laut und lebendig, wie ein Bienenstock, auf den der Knüppel niedersaust. Sie lässt diese Stimme ungebremst an Gefühle stoßen, so dass es knarzt und scheppert. Hier ist sie endlich, die doppelte Ironie, in deren Tiefe sich die Künstlerin offenbar erst vorarbeiten musste, wie eine Höhlenforscherin des Komischen. Auch das zweite und dritte Lied, „Aufstehen" und „Conny & Horst", die sie nach der Pause spielt, sind große Klasse - total einwandfrei und wunderschön!
Dann war der Praktikant an der Reihe, der sich wahrscheinlich noch einmal schnell die vor Lampenfieber feuchten Hände mit Meister Robrocks Schweißbrenner trocken föhnen musste, damit ihm nicht das patschnasse Manuskript zwischen den schinkengroßen Pratzen zerisse. Egersdörfer nutzte die Zeitlücke geschickt, um über die gemeinsam genossene Bibelstunde zu palavern, als sich die frommen Buben in Lauf, links wie rechts der Pegnitz, gegenseitig jene schweinigeligen Seiten im Heiligen Buche empfahlen, auf welche sich besonders gut Notzucht mit sich selbst treiben ließ bzw. lässt. Ja, protestantische Kirche - das hättest Du nicht gedacht? Dass da ein unheimlich fruchtbarer Same auf die Erde fiel, nachgerade dahin, wo er Deiner Absicht nach wohl nie hätte landen dürfen. Aber umso besser, denn sagenwirmal um die dreißig Jahre später erklommte in der Folge Philipp Moll das Podest und erfüllte das gewaltige Schauspielhäuschen mit geschliffenen literarischen Perlkirschen, er selbigst wie über dem hohlen Zentrum eines Frankfurter Kranzes thronend.
Gesponsoriert von einer Stiftung, deren vollständiger Name mit „H" beginnt und sich mit „ans-Seidel" fortsetzt, entführt uns Bürger Moll in die „Schule für Wahrnehmungsverdickung", in der gelehret wird die heilige Trias aus Lyrik, Brief und nochmalig Lyrik. „Herbst III" heißt das Gedicht, das noch auf dem Seziertisch der interpretatorischen Anatomie strahlt und hüpft wie eine begattungswillige Häsin im Maiengrund. Selten noch erlebte ich, wie Sprache durchs bloße Vorbeigehen veredelt, durch einen saufiesen Wechsel des Betrachtungsstandpunktes ein und derselben Materie erhöht wurde. Ein ganz einmaliger Vorgang.
Danach folgte aus meiner Sicht der Höhepunkt des ganzen Abends, der beste „Brief an mich selbst", den ich bisher genießen durfte. Eine orgiastische Fieberfahrt in die Republik der Mumu, welche selbst eine beispiellose Scheußlichkeit darstellt und mühelos als eine zeitgenössische Politikhetäre erkannt werden mag. Umtanzt von einem aberwitzigen Panoptikum, das einer unausdenklichen Geisterbahn entlehnt zu sein scheint, das zu lieben allerdings man strengstens sich selbst zu untersagen hat, da es die Regierung gar selbst ist.
Bin ich denn wahrhaftig ein solch fader Morschpfosten, dachte ich mir, dass mir so etwas im Leben drei Mal nicht einfiele? Oder schloss der Kerl ein Bündnis mit dem stinkigsten Satan der Dichtkunst? Unterschrieb den Vertrag mit Blut- und Leberwurst, auf dass er auf Erden nie mehr fehl gehe bei der Anordnung unendlich vieler Buchstaben zu formidablen Worten und Sätzen und Reimen und ganzen Passagen und Litaneien?
Doch ich beginne zu faseln und will es dabei bewenden lassen, ehe sich der Moll noch für die Schleimerei genieren muss. Vergeblich ist der hilflose Versuch, die aus der Südstadt herbeigewanzte Epiphanie der Poeterei zu beschreiben. Man muss es selbst erlebt haben, alles andere giltet nicht.
Dann übernahmen Hauk & Bauer das wild schwankende Comedy-Schiff und bewiesen mit ebenso großer Routine wie Reichtum an Geist, dass sie professionelle Kapitäne sind, in jedem Sinne des Wortes. Bei diesem Auftritt konnte einfach nichts schief gehen. Ein paar Comics auf die Leinwand projiziert, im Duett vertont von dem kongenialen Zeichnerpaar, und bis auf drei oder vier etwas maue Altbackwerke insgesamt eine explodierende Scherzfabrik abgebend, die man gleich nochmal besichtigen möchte. Und nochmal, und nochmal ... Ich frage mich, wieso man überhaupt noch zu Hause, still und alleine die winzigen Witzbildstreifen in einer sperrigen Zeitung eines Blickes würdigen sollte. Cartoons sind dafür geschaffen, in voll besetzten Sälen auf riesigen Leinwänden gezeigt und vorgelesen zu werden. Aber schon klar: ohne Zeitung keine Cartoons, ohne Cartoons keine voll besetzten Säle usw. jaja.
Ein Höhepunkt unter vielen war schließlich der Auftritt von Timur Vermes, ein Sohn der Stadt Nürnberg, ehemaliger Abendzeitungsredakteur und Ghostwriter von Mundharmonikaspielerautobiographien. Vermes schrieb im vergangenen Jahr den Bestseller „Er ist wieder da", und er, Vermes, ist zum Glück nicht Tommy Jaud. „Er" wiederum ist ein gewisser, dank allem, was Recht und Gut ist, vor einiger Zeit endgültig auf den Müllhaufen der ewigen Idioten geschlonzter GröFaZ, dessen Namen in die Tastatur zu drücken sich meine Finger weigern.
Timur Vermes ist einer, der weiß, wie man Bücher schreibt. Und er weiß, wie man davon erzählt, wie man ein Buch schreibt, und zum allem Überfluss macht er das mit soviel Charme und feiner Ironie, dass der Kerl wahrscheinlich persönlich Hüttlers Adolf noch rechtzeitig davon überzeugt hätte, die Welt bitte in Frieden zu lassen und demokratische Neuwahlen anzusetzen.
Egersdörfer führt elegant wie eine Elfe durch das Frage-und-Antwort-Spiel, obwohl er neben dem filigranen Schöngeist Vermes wirkt wie ein rotbehemdeter Koloss aus Stiernacken und Koteletten. Er muss sich aber nicht groß dabei anstrengen, ja nicht einmal die angedrohte Kopfnuss realisieren, denn Vermes spricht bereitwillig ins Mikrofon und erklärt entspannt, was ihn veranlasste, reich und berühmt zu werden, so dass auch der letzte Doldi kapiert, dass man vor allem ordentlich nachdenken muss dabei, sonst wird's nix. Zur jedermanns Erleichterung stellt Literaturkritiker Egersdörfer auch die alles entscheidende Frage: „Steigen [wegen des Bestsellers] die Chancen bei den Weibern?" ... ich schätze, in der Nacht wurde bei Egersdörfers zu Hause noch an gewissen Details der Karriereplanung gearbeitet.
Der Meister jedoch wäre nicht der Meister, wenn er nicht noch ganz zum Schluss ein Kleinod aus seiner Zaubereraktentasche gezogen hätte, nämlich Texte des 2010 unverdientermaßen gestorben seienden Dietmar Burdinski, die kürzlich von Rainald Grebe herausgegeben wurden. Zwar auch hier die altbekannte Dreifaltigkeit der Geißeln der Familie: Abscheu auf den Nachwuchs, Suff und eheliche Zerrüttung. Konventionell also und abgenudelt? Gerade das Gegenteil ist wahr: Nicht zuletzt dank des Vortrages eines gekonnt in den Geist des Wahnsinns hinein schlüpfenden Egersdörfers materialisiert sich förmlich ein funkelnder Diamant der Hochkomik. Die Synthese aus Abscheu und Fröhlichkeit gelingt, die widerwärtige Realität tritt einen Schritt zurück und hält für eine Weile ihr Maul. Ein Weihnachtsgeschenk, täte ich sagen, wenn man mich fragte, und zwar von Leuten, die sich auskennen, für Leute, die selbiges zu schätzen wissen.
Nahtlos anschloss sich die viereinhalbstündige Weihnachtsansprache des Gastgebers, im Verlaufe derer er uns wie jedes Jahr endlos langweilte mit Empfehlungen zu Einkauf, Aufstellung und Ausrichtung des Christbaums („so lange drehen, bis er nicht mehr ganz scheiße aussieht"), ehe er endlich erschöpft und mit Schaum vor dem Mund zusammenbrach und somit unwillentlich Platz machte für die anderen Künstler, welche das mehr als verdiente Begeisterungsgebrüll einer entfesselten Menschenmeute mit exquisiten Lächeln goutierten. Ein fantastischer Abend, an dem wo sich keiner nicht wunderprächtig amüsiert hätte, und alle, die diesmal nicht da waren, haben echt was verpasst. Ätschbätsch.
Nächste Gelegenheit: am 8. Jänner 2013. Acht Uhr. Robrock.
Liebe Freunde von allem was recht ist! Zack und bums macht's und schon ist's wieder November. Glitschig leichenkalte Nebel wälzen sich den Wiesengrund fürthwärts, die letzten Jogger des Jahres trampeln mit vorschriftsmäßiger Vorderstirnbeleuchtung blöd um Muggenhof herum, doch unverdrossen öffnet Meister Robrock die mundgeschweißten Tore zu seiner mutterschoßwarmen Halle.
Die Comedy Lounge hat gerufen und allerlei Volk stellt sich ein, um sich vom Egersdörfer wie stets mit sanfter Gewalt begrüßen zu lassen. Spaziergang des Schreckens muss man das wohl nennen, was der Meister wie immer zum Auftakt verrichtet, und jeder duckt sich, um bloß nicht fies von der Seite ausgefragt zu werden. Der Kerl muss den selben Religionslehrer wie ich gehabt haben, der hinter den Stuhlreihen auf und ab schlich, nur dass es vor 35 Jahren noch die eine oder andere Kopfnuss aus dem Unvorhersehbaren hagelte. Dabei ist der Egersdörfer doch aus Lauf und aller Wahrscheinlichkeit nach nicht einmal ein ordentlicher Katholik. Und nicht nur die Frau mit der Wollmütze entgeht ihm nicht, die sich mit ihm in Sachen fettiger Haare duelliert, auch der einwandfrei abhangene Punk steht tapfer Rede und Antwort, bis den Meister das Gespräch endlich langweilt und wir uns wieder entspannt zurücklehnen können.
Der dicke Mann, den brüllen zu sehen vielleicht der eine oder die andere gekommen ist, versagt sich heute das Gebrüll, er wirkt milde, wie erleuchtet, und nach einigen wohlfeilen Worten zu unser aller Lieblingsthemen Krieg, Krankheit, Völkermord, Missbrauch und Elend ruft er seine bedingungslos ergebene Gattin Carmen, die Krücke und den Wanderstock seiner rastlosen Existenz auf die Bühne. Auch die dämliche gelbe Strickmütze, die plötzlich auf dem gewaltigen Kopf des Meisters thront, kann dessen Ruhe keinen Abbruch tun. Es entrollt sich ein Panorama von bedingungslosem Gehorsam, der den Weg zur Erleuchtung ebnen soll, von der Befreiung von jeglichem irdischen Besitz (qua Übereignung an den erleuchteten Meister), von mit Zehennägeln genährtem Karma und ausdruckslosen Hüllen, die an ihren Seelenfunken arbeiten. Der selbstzufriedene Guru und seine bis zur Verblödung unterwürfige Gefolgsfrau - das ist ausgezeichnet gespielt, das an sich zum Schreien dämliche Sektengewese wird auf den Punkt getroffen und kommt uns sofort bekannt vor, aus Bildzeitung und Pro7. Nur zündet die Nummer nicht so recht, oder zumindest macht die alberne Ausgelassenheit eine Verschnaufpause. Lob sei den beiden für ihre Kunst, und gepriesen sei ihre Chuzpe, solcherlei Thema zu verwursten! Ich persönlich jedoch glaube, dass, wenn es um das Irrationale geht, welches in komplett verschwurbelten Birnen seine Urstände feiert, eine Parodie den realen Hirnfick einer pseudoreligiösen Narrengemeinschaft nie übertreffen und somit auch nicht konterkarieren kann. So bescheuert und verderbt, wie die Hörigen bzw. ihre Gurus in Wirklichkeit sind, können sich nicht einmal erstklassige Bühnenkünstler geben, und das ist keine Schande.
Es folgt der erste Gast des Abends, angekündigt als „The Big Sick Fritz", frisch eingeflogen aus Las Vegas, zusammen mit „Buzele", dem schlauesten Kater der Welt. Siggi Weckerle ist ein Profi, er weiß was er tut, und es gelingt ihm, das Publikum zu blenden. Schier endlose Minuten spielt er den schlechten Bauchredner, der mit einer um seinen Nacken gewickelten verlumpten Stoffwurst spricht, die Handpuppe zu nennen eine tödliche Beleidigung für alle anderen Handpuppen des Universum wäre. Big Sick Fritz sondert einen hundsmiserablen Katzenwitz nach dem anderen ab, bringt zu allem Überfluss einen infernal keckernden Lachsack zum Einsatz, bis endlich die Zuschauer die gewünschte Reaktion zeigen. Zunächst schwillt nur irritiertes Murmeln und Flüstern immer lauter an, bis die ersten „Aufhören"- und „Es reicht!"-Rufe praktisch wie bestellt auf die Bühne fliegen. Siegfitz lässt nicht locker, er ist fest entschlossen, den schlechtesten Auftritt der Welt - zu spielen, und er zieht sein Ding bravourös durch. Dem Hörensagen nach verlässt sogar mindestens ein Zuschauer türenschlagend das Gebäude. Dann endlich ist es vorbei, der letzte Doldi im Publikum hat den Witz über den Witz, den möchte man sagen: Meta-Witz verstanden, und die Backen des Herrn Egersdörfer rötet ein diebisches Grinsen, als er wieder die Bühne erklimmt. Etwas länglich für eine allereinzige Pointe, dünkt mir, aber die Komik des Unwitzigen braucht vielleicht seine Zeit, um sich zu entfalten, was spätestens am Ende der Show glasklar werden wird (s.u.).
Dann schlug die Stunde des ausländischen Gastes, dem preisgekrönten Hosea Ratschiller, der den weiten Weg aus Wien auf sich genommen hat, um sich auch dem Nürnberger Publikum nicht anzubiedern. Sondern um sehr relaxed sehr schnell in Fahrt zu kommen, mit etwas, das man in den 1980er Jahren als Obercoolness bezeichnet hätte. Er haut hier ganz nonchalant der Kirche eines auf Pfaffenkappe und Mitra, dort vergällt er jedem noch so heiß in Liebe brennenden Pärchen den Kuss, indem er wissenschaftliche Thesen über vorgekaute und angedaute Speisereste zitiert. Alles knapp, präzise und schließlich in der klassischen Aufforderung an alle Anwesenden zur Sexorgie mündend, was sich ein Österreicher bekanntermaßen niemals nicht versagen darf. Nur der beherzte Zwischenruf aus dem Publikum, man wolle dann doch lieber noch einmal die Katze, verhindert Schlimmeres, wenn auch nur vorerst (siehe Schluss der Show). Wie ein seiner Triebsteuerung verlustig gegangener Erich von Däniken, phasenweise mit schwanzspitzenroten Gläsern auf der Nase oder einer funzeldoofen Blondinenperücke wenn nicht einer öffentlich-rechtlichen Dienstglatze auf dem Kopf, nimmt Ratschiller traumwandlerisch sicher die Slalomstrecke zwischen Teppichmesser, Flirttrainer, Vagina und Südsudan, ohne uns den Einkehrschwung bei den Finanzmärkten vorzuenthalten. Er haut heute schon der Generation unserer Eltern ihre dumpfbackige Selbstgerechtigkeit so um die Ohren, dass es nur so spratzelt, und ich möchte mir fast wünschen, selbst von ihm zur Rechenschaft gerufen zu werden, wenn denn einmal die Reihe an mir sein sollte. Und mit seinen Fragen an den Ombudsmann hat er nicht nur artig seine Referenz an Radio Eriwan erwiesen, sondern selbiges endgültig in den Orkus der Nichtswürdigkeit geschickt. Nur einem Komplettdeppen möchte es da entgehen, dass hier nicht nur ein großgewachsener Kronprinz des Entertainments, sondern ein ganz großes satirisches Talent auf der Bühne steht. Ich jedenfalls befehle mir selbst in einem Ton, der keinen Widerspruch zulässt: diesen Herrn festenstest im Auge behalten!
Wie der Egersdörfer nur immer auf seine Einfälle kommt, wird wohl ewig ein Rätsel bleiben. Großartig einfach, dass er nach der Pause Eberhardt Ergenzinger auf die Bühne bittet, den ehemaligen Ressortleiter der Sportredaktion der zugrunde gegangen wordenen Nürnberger Abendzeitung. Es wird Klartext geredet, und Ergenzinger beweist Witz und Verstand. Ein Reigen kopfloser Richtungswechsel und hirnrissiger Entscheidungen beginnt in den Ohren der Zuschauer zu kreischen, dass es einem schwindeln und schlecht werden möchte. Umso größer die Schande, die Berater, Verleger und Geschäftsleitung der AZ offenbar auf sich geladen haben. Und Herr Ergenzinger ist nicht das einzige Opfer der umgebremst wütenden Zeitungssterbens im Lande. Was bleiben wird, ist Einheitsbrei, mittels Agenturen gleichgeschaltet, von der Politik kontrolliert und - wer kann's schon reinen Gewissens ausschließen? - womöglich sogar gewollt. Siehe Gangsta-Rappa-Pappa Minister Joachim Herrmann. Da sollten alle mal nachdenken, darüber mal!
Je nun, es bliebe nun nichts mehr zu berichten, hätte nicht ein neuer Praktikant auf der Her Majesty's Comedy Lounge angeheuert, vermutlich nur der süßen Demütigung wegen, denn es ist einer, der gleichwohl in seiner Zunft schon unumschränkter Herr und Meister ist: Philipp Balthasar Moll, der Gleichaltrige. Wir schlüpfen in den wollenen Mantel der Poesie und hören das Gedicht „Herbst 1", ein so anmutig verrottendes Stück Lyrik, wie das bunte Laub, auf dem wir dieser Tage im Dutzend ausrutschen und auf die Schnauze fallen. Einer genuin protestantischen Dramaturgie gemäß folgt das prunkvolle Mittelstück, ein nachgerade barocker „Brief an mich selbst", namentlich Numero 21, ein golden verbrämtes Kalenderblatt, gemalt auf einen Splitter Holz vom Kreuze Judas Ischariots, das Unheilige an sich darstellend, wie es in grindhaften Zynismus auf Fliegenschiss und gepfählten Gedärmen tanzt. Ein Text, wie von Dürer höchstselbst schraffiert, auf's Zehntel exakt. Der Symmetrie des Überirdischen gehorchend beschließt Moll den Gottesdienst ans Wort mit dem zart vibrierenden Gedicht „Herbst 2" und sackt ergeben den wohlverdienten Applaus ein. Hier noch ein einziges Komma hinzuzufügen, hieße, ein Sakrileg an der Perfektion an sich zu begehen.
Schnell, viel zu schnell nähert sich die Veranstaltung ihrem Ende, nicht gleichwohl ohne noch einen letzten Höhepunkt zu erklimmen. Denn nun, da das stupide batschende Publikum dem Egersdörfer auf den Leim geht und solange quengelt und bemmst, bis es seine Zugabe zugebilligt bekommt, wiederaufersteht The Big Sick Fritz und entert die Bühne, um den dümmsten Katzenwitz aller Zeiten zu erzählen. Und plötzlich, wo klar ist, was gespielt wird, ist die Nummer lustig. Dermaßen lustig sogar, dass etwas geschieht, was zumindest ich in der Comedy Lounge noch nie erlebte, nämlich dass Egersdörfer himself, in kongenialem Zwiegespräch mit der wunderbaren Carmen, noch eines drauf setzt und einen Kalauer zum Besten gibt, der so brunzgurkenpickelhart ist, dass man den Gastgeber eigentlich nur noch an seinem roten Hemd wiedererkennt. Kein Zweifel ist erlaubt, wo der Hammer hängt.
Abschließend gefragt, ob es ein tadellos großartiger Abend war, kann ich alldieweil nur sagen: ja. Und anfügen: absolut unbedingt! Wir freuen uns auf's nächste Mal, und zwar am 11. Dezember. Karten dafür gibt es im Vorverkauf itzund auch im Antiquariat Deuerlein in Nürnberg.
Mann o Meter, The Big Sick Fritz - was war denn das?! Sonst ist es super bei euch, aber das war unterirdisch. Zum Glück gibts nächstes mal mit Hauck und Bauer wieder ein Highlight. Gruß
Nürnberg den dreizehnten September
Wenn man an dem Wegesrand versonnen in ein Blümelein hineinschaut und sich recht freut dass der böse Winter noch ein gutes Stück weit weg ist und der Herbstsonnenstrahl wo schon lungerte in der Landschaft die Nasenflügel sachte kitzelt und die Lider wonniglich palinzeln dann kann es an seltenen Tagen sein dass man aus dem Blütenkelch eine Stimme hört die zuerst leise aber deutlich sagt: „der Herr spricht...“ sagt sie und dann sagt sie noch mehr und und eine Stromorgel erklinget und die schnarrige Stimme von Andreas „Referend“ Rebers schraubt sich ermahnend und an den Rändern der sogenannten Korrektheit sicher wandelnd die Botschaft welche zu hören uns allen gut ansteht aufs dezidierteste in die Hörmuscheln tief hinein und dann kommt ein Rythmus hinzu und ZACK ist es alles darinnen im Gebein und im Wohlklang der Geräusche merkt man garnicht wie das schöne Blümelein am Wegesrand listig und böse dreinblickt und einem sauber die Schuhe vollbrunzt
In der Evolution drinnen picht eine unflätige Inkompetenz und auch an den Dingen die entstanden sind aus dem blöden Treiben dessen was sich die Krone von derer Schöpfung nennt und auch wenn die Hummel zwar sich einen gewissen Possierlichkeit nicht erwehren kann so offenbart sie durch und auch in ihrer Existenz doch die handwerklichen Kompetenzkrater der Firma die wo da herum-selektiert hat gerade was die Frage nach dem Obüberhaupt- und dem Wennjawohinfliegens betrifft auf das prächtigste -sagt Piet Klocke- und man muß ihm unbedingt folgen also seiner pantomimisch verbrähmten ballettösen Deutelei genauso wie den aus dem ewigen Quell verwunschener Buchstabenhöllen herausgespeisten -sagen wir- Gedankenmäandern und erneut erkennen wir dass das Folgen sehr schön sein können kann
In geradezu satanischer Zurückhaltung lestete der Gastgeber von der Septemberlounge nämlich der Egersdörfer einen Text artig vor und der geneigte Hörer mag sich schon mal einen Gedanken machen über sein Grundstück im Jenseits und mit dem Rothemdigen in eine hochbesinnliche Andächtigkeit Hand in Hand hineingehen um dann aber mit der Carmen die wo eine Splitterbombe der Mimikeffizienz und auch eine Leuchttürmin des knappen Textes ist in einen Zwerghades abgetriebener Gefühlswelten erbarmungslos hinabgezogen zu werden aber weil man den Mann mit dem großen Kopf auf so eine kleine Bühne und zudem noch hinter einen Mikrofongalgen gesperrt hat ist diesmal die brausende Sturmgewalt durch mimische Überbordung hervorgedrückter Spuckebrocken leider im sicheren Hafen des kurzarmigen Gefuchtels liegengeblieben
Orthopädisch gesehen war der Abend für kreuzlahme Sitzriesen wie mich ein Stalingrad aber der ungebremste Ausdruckswille und die künstlerische Strahlkraft der Vortragsarbeiter liesen mich den Schmerz kaum spüren und es schwappte nur einmal ein kleines Wimmern aus mir heraus
Lieber Leser das hätten sie alles selbst erleben und auch ein Stück weit verstehen können wenn sie die Septemberlounge beim Meister Robrock besucht hätten
Das Publikum ruft lange noch: „Die Künstler leben häuserhoch!“
philipp moll
Das ist ein totaler Support würde ich mal sagen - Eins A Kulturverein --- Gruß Chris PS: schöne Fotos von der strengen Prüfung, die Note bekomme ich mit der POST!
Liebe Freunde der Komischen Kunst,
die letzte Lounge vor der Sommerpause ist durch das Zimmer beim Meister Robrock gepurzelt. Der Egersdörfer plaudert sich charmös durchs Publikum und erklimmt die Bühne und erzählt eine Geschichte irgendwie von Albträumen und so und wegen des Traumes von dem doch nicht bestandenen Abitur ist es ganz lustig dass sein ehemaliger Chemielehrer im Saale weilet.
Der 5-Minuten Akt Stefan DaNi singt zwei Lieder von denen eines auf einer Nummer vom Egersdörfer basiert: Das Thunfischlied. Die beiden Liedlein waren adrett und haben zu meiner Unterhaltung beigetragen. Rene Eichhorn hat einen eigentlich schön bösen, klebrig, fiesen Text dabei, aber anscheinend zersemmelt die mangelnde Behausung der Figur in sich drinnen und ihre unentschiedene Haltung zu dem was sie erzählt viele schaurige Bilder und manch finsteren Scherz und obendrein die böse Falle des Sichselbsterblickens in spannerischer Erbsenzählerei dies alles dauerte mich ein wenig.
Lukas Fassnacht hat in ganz kurzer zeit unheimlich viele Buchstaben in die Halle gesprochen und die waren aufs äußerste miteinander kombiniert und zu blitzsauberen Texten verwoben die wo manchmal ein wenig maniriert umeinandermeandern aber das ist lang nicht so schlimm wie der maßlos öde Slammersingsang der jeden noch so großartigen Text in einen Ozean
phonetischer Einfalt hineintunkt und in einen Käfig rhythmischer Holzwege hineinpfriemelt. Die Texte waren so gut dass es hätte schlimmer kommen können.
Dann war Pause und es gab eine Tasse frische Luft. In der alten Zeit wo es noch einen Wehr- da hat der Zivildienst manchen Charakter gestählt. Das hat der Herr Egersdörfer in einer sehr schönen Geschichte über seine Zeit mit behinderten Menschen an uns gesagt. Mit einem kurzen Film aus seinem Winkelreichen Schaffen hat der Mitbegründer der Nürnberger Schule und Filmaphoristiker Martin Fürbringer der Angst vor dem Friseur einige Argumente verschafft. Das war Lustig.
Anton Grübener ist ein schlimmer Finger und kennt alle Witzeabende der 50er 60er 70er und späten Jahre auswendig und hat ein diebisches Vergnügen daran Klischees des leichten Unterhaltung Scherzmonumente aus dem Fass mit Adenauerscheiße darinnen und vergessene Akten aus der Bundesanstalt für Fips Asmussen-Aufbewahrung (BFAA) zu fragmentieren.
Das große Haus das von so vielen Alleinunterhaltern so greulich aber mit edeler Sorgfalt errichtet wurde und wo das gesunde Humorvolksempfinden darinnen wohnt demontiert er nicht nur mit der singenden Säge in kleine Würfelchen die allesamt es wert sind dass man sie sich in die Tasche steckt. Auf dem schmalen Grat zwischen dekonstruktion und knurrender Peinlichkeit steht er elfenhaft herum.
Wenn das der alte Jonny noch hätte erleben dürfen dass außer dem völlig verpfosteten Gunter Gabriel - aber wir wollen nicht auf toten Gäulen reiten. Jedenfalls dem Gymmick sein Song „ich stups dich an“ oder so ähnlich nach einer Melodie von Jonny Cashmick war etzückend. Der Gymmick die alte Rampesau hat es alles hinauf gesungen wo es hingehört und wenn er nicht so schlimm aufstampft beim Faschingssong dann wir auch sein Fuß nicht so dick.
Am 7.6. treten der Lukas Fassnacht und Jonny Cashmick gemeinsam bei Gymmicks Keller Buntes auf. Das War ein schöner Abend vielen dank den Künstlern und einen schönen Sommer.
Philipp Moll