Es ist ein Dienstag, ein eherer im Monat als wie sonst immer aber das macht nix, es sind alle Leute da, denn die Kabarettpublikumsgehirne stehen in vollem Saft und die Kabarettpublikumskalender sind auch gut geführt.
Die Bühne ist wieder richtigherum da und, damit sich keiner das Gnack verdirbt, die Sitze auch und so ist das auch richtig.
Den Introitus bläst auf seiner Strom-Bassgitarre der berühmte Heinrich Filsner und mit dem Fuß bedient er eine Loop Station. Das ist interessant und cool, denn Karl Valentin wohnt darin. Alsbald die Bühne betritt der Egers und betrachtet mit großväterlichem Blick den schönsten Halbnacktsänger der Welt, Bird Berlin, der sein Dasein derzeit in Dauergebresten fristet aber schöner und halbnackter denn je ist.
Wenn die fränkische Zunge von einem Tier bewohnt würde, so wäre dies der Bär. Darauf hinweisen folgende Charakteristika: Schwerfälligkeit, Faulheit und, im Fall von Gefahr oder Abwesenheit von Gefahr, ungezügelte Hiebkraft. In der Zunge des Wieners hingegen wohnte dann, schalkhaft, distinguiert und mokant, der Fuchs.
In dieser Biotaxonomie ausharrend werden Matthias Egersdörfer und Alleswisser Martin Puntigam in den folgenden Monaten unter dem Stichwort ERLÖSUNG überall in Deutschreich und Österland soteriologische Arbeit leisten.
Um zum ersten Mal in meinem Leben einen Krankenhausclown zu zitieren, bittesehr, Markus Just: „Die Kinder finden ERLÖSUNG in der Clownerie. Die Eltern können eher nicht so lachen.“ So und noch besser wird ERLÖSUNG, ich weiß das, denn ich habe Theologie studiert und empfinde Bär und Fuchs als drolliges Paar. <3
Dass Philipp Moll aus der Südstadt ein großartiger Denker und Wortweber ist, weiß ja nun wirklich jeder. Ich muss, muss, MUSS ihm jedoch benedeien, denn er wird täglich ein großes bisschen besser und man kriegt gutartige Tumore am Stammhirn, wenn er zum Formulieren anhebt. Bitte laufen Sie hin zu ihm an die Wohnung und bringen ihm Lorbeergeist und Euroschecks, auf dass er sich suhle darinnen.
Auf der Artverwandtenschau ist auch der Metaller Bembers, der da ist und laut. Dann ist er wieder weg. Nicht so schade.
Natürlich kommt am Schluss auch noch Carmen auf die Bühne und dann ist auch schon wieder der feierliche Reigen aller Akteure und ein abrupter Schluss passiert dann.
Trotzdem schön!
Taschabberlot! Meine Oma besaß zahlreiche scheußliche Sackkleider, die ausnahmslos aussahen, als seien sie aus dem Stoff verschiedener Küchenvorhänge zusammen geklebt. Eines davon trug sie zwei, drei mal ausgerechnet dann, als es meinem kleinen Bruder beim Autofahren schlecht wurde. Er kotzte der Oma auf den Schoß, unter anderem freilich, weil dieses Kleid so
besonders scheußlich war. Logischer Weise hieß dieses Kleid in unserer Familie bald nur noch: das Kotzkleid. An das Kotzkleid musste ich am Dienstag unwillkürlich denken, als ganz am Schluss der Egersdörfer'schen Anverwandten endlich Carmen im Scheinwerferlicht aufstrahlte, den gespielten Witz zu spielen. Wieder einmal der geheime Höhepunkt der Show und für viele Gäste alleiniger Anlass, ihre Kadaver am 11. Feberuarius in die
Vorstellung zu schleppen, wie der schlaue Matthias E. messerscharf auseinandersetzt. Um schnell seinen Blick abzuwenden, von dem Zehennägel spaltenden Abgrund der
Abscheulichkeit, diesem lilafarben emaillierten Holocaust von Damenbluse, den Claudia Schulz unerschrocken trägt.
Die Musik des Abends kommt von und aus KLÄNG, einer Band, die in derselben Stadt wie das KOMM wohnt, wo die drei bebrillten Herren gesetzteren Alters Lärm auf der Bühne machen dürfen, ehe bevor der großartige Meister und Haferstecher M.C.F. Egersdörfer
dieselbe erklimmt. KLÄNG klingt praktisch eins zu eins wie die 1990er, aber die Herren beherrschen ganz offenkundig ihr Handwerk und werden darüber halt auch nicht jünger. So
wie wir alle. Und es war nicht alles schlecht in den 1990ern.
Wie ein Witz mag es sich anhören, aber die traurige Wahrheit ist, dass Bird Berlin in Ausübung seines Amtes mit dem Kopfe gegen ein Kruzifix gerammt ist und ihn daher eine Gehirnerschütterung die Ausübung seiner Königsdisziplin, dem Nummerntanze, untersagt.
Egers gibt sein wirklich Allerbestes und presst der Menge die erste Strophe eines dreifaltigen Genesungswunsches ab. Angesichts der versammelten Begriffsstutzigkeit und Lurchhaftigkeit im Saale eine gewaltige Leistung!
Ein Saal, der übrigens so voll besetzt ist, dass nach der ersten Nummer immer noch Stühle herbei getragen werden müssen, um dem Volke eine feste Unterlage für dessen Hintern zu bieten. So auch dem Ziegenbart-Jüngling und seiner gleichfalls den Drogen und dem Post-Prä-Punk-Metal-Blues verfallenen Gespielin. Egersd. frisst augenblicklich einen Narren an dem unbefleckten jungen Menschenpaar, was diesem aber scheint's nicht unrecht ist.
Von hinten wanzt er sich rein, der Meister, leistet wacker Überzeugungsarbeit gegen das sinnlose Lustigsein. Fazit: ziehen wir die Scheiße durch, damit es auch einmal wieder
aufhört. Andi macht einen Sound, Stefan macht ein Licht, und alles hat sich gewaschen.
Großes Bedauern fliegt dem Maestro zu, den die teuflische Zumutung befiel, nach Mainz fahren zu müssen, um einen Preis zu empfangen und eine Dankesrede absondern zu müssen. Matthias E. berichtet von Langeweile im Endstadium, von Zahlen, die so blöd sind, dass sie sich selbst verwechseln, und dem rennenden Äffchen in seinem Handtelefon drinnen. Er muss sie wirklich ganz arg lieb haben, solche Einrichtungen wie Sauna, Fitness-
Studio, U-Bahn, Handy und IBAN, denn sonst würde er nicht unablässig darüber schimpfen, wenn auch bravourös. Und zwar bis der Moll auftaucht, herbei geritten auf einem
Shetlandpony aus der Südstadt, den achtundzwanzigsten Brief an sich selbst im Ranzen. Leider ist es lustig, was Philipp Balthasar, der Einzige, daraus hervorzitiert, eine dreimal drollige Faschingsphantasie, da wo man gleich am liebsten selber mit dabei wäre.
Grandios insgesamt und praktisch viel zu kurz, aber Marco Tschirpke will dann auch was sagen, er reiste eigens an aus Berlin, wo er sich nicht nur des Reimedrechselns befleißigt, sondern auch beeindruckend gut das Klavierspielen erlernt haben muss. Tschirpke tritt die Pedale des Flügels - den ein wenig später auch der Meister selbst noch ein wenig und verblüffend lieblich zwölftonal malträtiert - wie ein Rennfahrer und singt dazu
seine kompakten Verse. So wird’s doppelt virtuos, da gibt’s nichts zu meckern. Tschirpke muss exklusiven Zugang haben, zu jenem legendären deutschen Versebrunnen, irgendwo zwischen Harz und Brocken, aus dem ein komischer Vierzeiler nach dem anderen tropft, an dessen unerschöpflichem Reservoir sich schon Joachim, Heinzi und Robert gütlich taten.
Dunnerlüttchen, sag ich, und: Sapristi! Hat es nun Stefan Waghubinger, der „stuttgarterische Österreicher“, der „an einem unterirdischen Bergsee unter einer S-Bahnstation“ lebt – hat es also der nachrückende Waghubinger überhaupt nicht einfach,
hier noch eines daraufzusetzen. Er breitet vor uns seine Gedanken aus, über Selbstfindung, Handyfindung, Parkplatzfindung, Parkplatznichtwiederfindung und dergleichen. Er lamentiert, er benörgelt Technik, Gesellschaft, Internet und Jugend, er gibt sich mit jedem Wort altbackener und abgehalfterterer, dass ich mir Sorgen mache, ob sich diese Art des grantelnden Monologs nicht bald einmal überholt haben wird.
Ein Interview freilich gibt's auch, mit Martin Droschke und Elmar Tannert, brillant gefilmt vom fabelhaften Fürbringer. Einen Biertrinker-Reiseführer für Pilsen und Umgebung fassten die beiden erstgenannten ab, in dem sie 18 „Geheimtips“ verraten, wo es nach fröhlicher Wanderung trinkenswerte Biere gebe, welche Experte Anders Möhl fachkundig testete.
Aber ich stopfe jetzt schnell einen Löffel Haferbrei in das Getriebe meiner Vergleichsziehungsmaschine, denn es war rundherum so fuzzikado und schnuffte, dass kein einziger Buchstabe mehr …
Wir schreiben den ersten Dienstag nach dem 7. Januar 2015 (was wahrscheinlich sowas wie der 11. September 2001 ist für die Franzosen) und ein bisschen fährt einem schon der Schreck in die Glieder, weil die Januars-Artverwandten mit Gewehrsalven eingeläutet werden und man sich denkt: „boah, nein, bitte nicht, ich bin viel zu sexy für zum Dahingemeucheltwerden und saubere Unterwäsche hab ich auch keine an“. Aber halt: wieder war die Paranoia Vater/Sohn/Heiliggeist der Suggestion, denn die Gewehre sind keine Gewehre sondern Trommeln und die Salven keine Salven sondern ein ganz traditioneller, deutscher Marschrythmus. Na, das hätte mir mal jemand vor einem Jahr erzählen sollen, dass ich einmal dank dem deutschesten aller Instrumente, einer Schnarrtrommel, mir das vor den Salafisten in die Hose scheißen verkneif. Dem hätte ich die pegidischen Löffel langgezogen und mit Edding dick الأح مق (alamok) draufgeschrieben, was auf Arabisch so viel wie Volldepp heißt. Aber so sitz ich einfach nur vor mich hin und schäm mich für meine Blödheit. Alsbald hat aber die Trommel in ihrem Konsortium eine fröhliche Musik angestiftet, sodass ich bald abgelenkt bin von meinem Gram. Das besagte Ensemble ist eine waschechte Marschkapelle, die nicht nur mit einem derart hübschen Holzregister, dass man durch die Zähne pfeift, aufläuft, sondern auch mit einem, wie es dem Münchener Schaumschläger Michael Sailer, der sich hinter der Bühne einen kuscheligen Unterschlupf gebaut und alles mitangesehen hat, richtigerweise auffällt, semantisch interessanten Namen, welcher nämlich da ist Marching Band Lauf. Den ersten Witz des Abends erzählt der Dirigent und lacht selber sehr herzlich darüber, denn er ist sehr gut. Der Egersdörfer begrüßt hernach erstmal ganz offiziell die angereiste Bird Berlin-Fanclub-Chefin aus Holland und stellt dann ein gewisses Zwangspublikum fest. Seine Schoßhündin Carmen lässt die Herzogin Kate raushängen und erzählt von ihrem neuen Trainingsprogramm (Kaffeekochen, Schuhebinden, Nekrophilie), weil das mit dem Weihnachtsspeck sich doch arg auf den Stuhlgang auswirkt und da macht der Herr Egersdörfer ein ganz bitteres Gesicht dabei, weil er weiß, dass sie Recht hat damit. Leider gar nicht da an dem Abend ist der Philipp Moll und das tut auch allen recht weh im Herzen. Aber er ist woanders hingegangen, nämlich in den Fernsehapparat hinein in München und da soll es ja auch sehr gut sein. Der Programmzettel in der Hand von den MCs Andi und Linda sieht vor, dass jetzt mitten in die Sicht ein Mann daherkommt, der ein bisschen aussieht, als sei er als Kind in einen Kessel Hanfsuppe gefallen und seitdem nicht mehr herausgekommen. Jedoch trügt der Schein gewaltig, denn Mago Masin, der der Mann ist, ist ein kluger Kopf, der sich vorbereitet und sogar Ersatzbatterien dabeihat, die ihm einer bringt für seine Stromgitarre. Da macht es auch nichts aus, dass er von Frauen nur das Eine will (Baugrund), denn er habe es aufgrund eigener Wohnlage bitter nötig, so der Moderator. Dieser Umstand macht alle betroffen und ein Hut geht rum für Spendenzeug (Kronkorken, Knöpfe). Dass ich den anderen Gast des Abends jetzt halt vorhin schon verraten habe, ärgert mich ein bisschen. Jedoch ist er wohl der einzige Künstler, den ich mir in meinen klebstoffzamzerschnüffelten Hirnrumpf reinimaginieren kann, den zweimal zu erwähnen ich mich nicht sehr scheuen würde und daher nenne ich ihn nochmal, aber danach nicht mehr: Michael Sailer. Der Joseph Beuys der süddeutschen Sprachkunst kann fast alles und vieles davon richtig gut. Am besten kann er Dialoge schreiben wie Karl Valentin, Stromgitarrenbatterien dem Mago Masin bringen und die untere Mittelschicht beschämen. Letzteres sich anzuhören macht großen Spaß und ist in München zu bewundern, wenn man (wie der Philipp Moll) die Zeit hat, hinunterzufahren. Es gibt auch ein Informercial-Element am diesigen Artverwandtentreff: die lobenswerte Einrichtung des KommKinos ist eine, die zu loben man nicht müde werden darf. Darum machen zwei fesche Boys Werbung dafür: die Leute vom KommKino zeigen immer (wirklich immer!) geile Filme, die sich, am Arthouse angelehnt, zu den vernachlässigten Genres zählen (ich nenne nur 3 davon: Exploitation, Blaxploitation und natürlich Sexploitation).
Übrigens: Philipp Moll hat den Michi Sailer an diesem Abend dann doch nicht gesehen in München, weil der ja hier war und nicht dort. Das ist dumm gelaufen.
Erst müssen wir lange vor der großen Tür warten, und einer sagt, dass die Brötchen noch nicht geschmiert seien, weil der Frau das Glasauge herausgefallen sei und der Egersdörfer es unter die Bühne getreten habe, wo die Techniker es wieder richten müssten, aber zu guter Letzt klappt dann dann alles super, am 16. Dezember, dank Andy am Ton und Speedy am Licht und Banana an der Tür und der Frau mit dem Pferdeschwanz, der aus ihrem Steiß wächst, an der Kasse, und krass viele Menschen drängeln hinein, in den großen Saal vom Komm in Nürnberg, so dass es rappelvoll wird, weshalb dann auch das große Licht ausgeht und vier Gestalten auf die Bühne steigen und das Rattatatam-Lied klimpern, bloß ob nun Anders die Wildsau sein soll oder nicht, verrät keiner, und uns fremdzuschämen gelingt auch nicht, weil ja dann gleich der große Meister auftaucht und sich für's letzte Mal entschuldigt, wo er krank gewesen war und nicht auftreten hat können, jetzt aber spaziert er wieder durch die Auslage, die üppig gefüllt ist mit Galgenvögeln und Baumschulabsolventen, und erwischt auch prompt einen Berliner, der stolz darauf ist, so zu sprechen, als klebte ihm ein feuchter Putzlumpen im Gesicht, ehe dann Bird Berlin auf eichenschlanken Beinchen herbei hoppelt und vorträgt ein Poem über die Geräusche, die seine Lieblingslimonade verursacht, wenn sie in Birdies Bäuchlein rinnt, der dann zu singen anhebt und die Massen begeistert, bloß eröffnet nicht Philipp B. Moll den Reigen, der ist leider malad, kriegt fünf Pfund Tai-Chi-Energie in die Südstadt geschickt, damit's ihm bald wieder so gutgeht, wie dem großen Kleinkunstpreisträger M.E., der uns Einblick gewährt, wie schlimm sein Leben geworden ist, seitdem der Tatort an die Tür seiner Hinterhof-Butze klopfte, total stressend und mit geilen Weibern im Schlepp, eine rattige Bagage, die ihn bedrängt, dazu Unmengen Drogen in den höchsten Etagen, fünf Gramm zum Aufputschen und Joints zum Wiederrunterrauchen, eigentlich habe er die Nummer ganz bleiben lassen wollen, doch dann erzählt er, wie er als kleiner Bub lange Nasen malte, auf denen sich gewaltige Panzerschlachten abspielten, bis die Oma nachfragte, was es dem Hakenkreuz auf sich habe, auf den Panzern, und auch die Nachbarn stellten endlich ihre bescheuerte gute Laune ein, wenn der kleine M.C.F. Egersd. seinen Brass kriegte und sein rechtes Ärmchen erhob zum Gruß des inkarnierten Bösen, zugleich dem Buben ein "You can get it if you really want"-Gefühl bescherend, das nun den Rest seines Lebens als Laterne den Wanderweg durch die Forste seiner Wirrnis beleuchtet, und auch wenn der Meister noch dreimal behauptet, dass er nicht gut drauf sei, die Nummer ist spitzenklasse, bis B. Berlin mit seinem prunkigen Prachtkörper in den Applaus hinein wackelt und singt, vom im schwäbischen Leipzig hausenden Mathias Tretter, der seine lesbischen Fantasien auslebt, indem er den Kilt schottisch trägt, i.e. ohne Unterhose, weil sonst: Sackrileg, nebst England-Schottisch-Wales-Verwirrung, der gar nicht einfach zu folgen ist, wenn man lediglich ein schlichtes Gemüt zur Verfügung hat, denn vertrackt und Tretter sind eines, der den 3.-Reich-Sprech so hervorragend völkisch hinkriegt, dass der Saal in fetter Seligkeit schwelgt, worauf Birdy wieder säuselt, für Atze Pätz, welcher wie alle Bühnengestalten da, wo Birdy sie unter die Achsel gefasst hat, glitzert vom Feenstaub, mit dem Berlins Brust besprenkelt ist, nichtsdestoweniger bedient der Hamburger Pätz meisterhaft alles, was Tasten hat, das klassische Klavier und auch jenes für den Schiffer, doch am meisterlichsten beherrscht er ein Instrument, das in ihn hinein gebaut ist, seine Stimme nämlich, die weich, norddeutsch und bohrend ihm heraus schmettert, dem Überzeugungschansonnier, der über Spießbürger lamentiert, die irgendwas sexuelles mit dem Rasenmäher haben, über alternde Körper und pubertierende Gebrechen, ein wahrhaft schöner Blödsinn, sage ich, und da bei einem solchen Publikum das Mitsingen nicht klappt, muss M. "SpuSi-Babo" Egersdörfer eingreifen, komplett ausrasten und quasi im Alleingang die Inklusion der gaffenden Hirnzwerge in die Show vollziehen, ein kurzer Ausbruch nur, weil schon wieder Ma. Tretter vom Bi. Berlin angesungen wird, an dessen Stelle sich allerdings ein zombieskes Merkel-Wesen erigiert, das wurmstichigen Merkel-Brei auswürgt, uns zu mahnen, nicht nachzulassen im Innehalten, eine Vorschau auf den zukünftigen Rückblick, authentischer als echt, und ehe ich irgendwelche unscharfen Vergleiche ziehen kann, blinkt hinter meiner Stirn das Wort "sensationell" auf, während Grazie Bird alle in die Pause trällert.
Und wo der Egersd. derartig sotterte und über sein unzumutbares Scheißleben als Fernsehstar quengelte, fällt mir auf, dass er wie ein mit einem Zauberschrauber bewaffneter Mechaniker-Magier ist, der immer und immer wieder die komische Schraube noch eine Windung fester dreht und noch eine, aber die Schraube hält und reißt nie ab, und schon fällt das Stichwort für den Dicken im roten Hemd, der herbei tappelt und kostenlose Empfehlungen zur anstehenden Weihnacht ausgibt, wie man noch rechtzeitig und richtig hinhaut, zu Haus beim Weibe, da klatscht der Saal, Birdy singt zurück, Gymmick kriegt das Licht in die Fresse und bietet seine Kalender an wie Tofubrot, doch dann säuselt er einen auf, mit seiner Rio-Reiser-Stimme, über die Intimpiercing-Mafia und die Oma auf crystal speed, und bringt dem Geschwerdel im Saale mehr recht als schlecht bei, wie Mitsingen geht, kurz gesagt: Gymmick does his very best, und er sprintet sogar einem Doldi hinterher, der sich erdreistet, auf's Klo zu gehen, derweil Nürnbergs Spitzenbarde geschickt alle Riffe der Hochkultur umschifft, bloß was soll man schon von Leuten halten, die freiwillig zu den Artverwandten gehen?
Das allerbeste selbstverständlich, denn nur die feinsten der Feinsinnigen sind anwesend, ganz klar, und freuen sich schon auf das nächste Familientreffen im Januar, doch zuvor noch der erste Höhepunkt des Abends, das deutsche Original von "Last Christmas", weil auf Gymmick ist Verlass und Egersdörfer offenbart gerührt, dass er sich selbst befummele, während er Gymmicks Kalenderkalauer studiere, und sich selbst von Bauch bis Brust mit Leberwurst einreibe, seine Frau und den Nachbarn obendrein, nicht jedoch Axel Pätz, der nun dem absoluten Höhepunkt der Show zusteuert und die von ihm entwickelte phantastische Technik der "Triegelung" vorstellt, die ihm so schnell keiner nachmacht, worauf wiederum Tretter nachlegt und über jene Wesen referiert, die jung und ironisch sind und ein Fahrrad ohne Bremsen ihr eigen nennen, zudem sie in "Hype-zig" leben, da Berlin inzwischen "auf eine münchnerische Art düsseldorfiger ist als Stuttgart", grandios, so dass es überhaupt nichts mehr anderes getan werden kann, als den gespielten Witz zu spielen, was Meister Egersd. und der wie stets mit optischer Grausamkeit ausstaffierten Carmen wohl gelingt, und Aus! Schlussmusik!, und dabei passiert noch etwas außergewöhnliches, denn Claudia Schulz antwortet bezaubernd trällernd dem Anales verkündenden Anders Möhl, und jenseits aller Albernheit und jeden Draufgehaues blubbert ein Moment tiefen und aufrichtigen Gefühls durch's Spektakel, und als sei ein unsichtbarer kleiner Kotzteufel soeben verschreckt aus dem Saale geflüchtet, riecht es ein bisschen nach Erlösung. Vielleicht aber auch nur nach Steinpilzen, wie jemand anderes meint.
Wer mich etwas besser kennt, der weiß: übernatürliche Erscheinungen sind meine Domäne. Nicht umsonst strebte ich ein Theologiestudium an und auch mein Faible für Sci-Fi-Filme rührt daher. Deshalb erfordert es eigentlich keiner weiteren Erklärung, weshalb mich die Novemberausgabe von Egersdörfers sehr schönen Artverwandten schon Minuten vor Anbeginn in ihren Bann schlug, denn im Publikum ging ein allgemeines Mauscheln umher von einem höchst komplizierten, kinetisch-visuellen Experiment, von einer unbewussten Massenhypnose. Dennoch: im Nachfolgenden die Ereignisse rekapituzulieren werde ich nun mich anstellen.
Der Lichtmeister holte flugs den Dimmer aus seiner Hosentasche und dimmte wie ein Wilder das Licht runter und schon bald betraten vier Gestalten die Bühne: drei Männchen, ein Weibchen mit wunderlichem Namen König Schmierstoff und anstimmten mit Leiern und Schalmeien eine Melodei aus lang vergangener Zeit mit Texten von Herman van Veen oder so. Was ich nicht merkte: diese Musik war die basale Stimulation und, rein psycho-klempnerisch gesprochen, der Teppich für die Hypnose.
Alsbald war fertiggeleiert und ein geheimnisvoller Herold betrat die Bühne. Es war Bird Berlin, ein, im Neonlicht der psychoaktivsten Pilze des Waldes geborener Faun im Glitterkleid, der darob einen Zauberspruch sang von güldenem Tenor. Und da war es geschehen: wir waren alle gefangen in der Twilight Zone oder ähnlichem (vgl. Philip K. Dick oder siehe bei Stanisław Lem, etc).
Unter dem Schleier der erfolgreichen Hypnose begab sich auf die Bühne nun ein Mann, der wie Matthias Egersdörfer aussehen sollte, jedoch eher Philipp B. Moll glich, dem Meister an der Wortschwurbeldrehbank und mehrmaliger (und einziger) Preisträger des Eugen-Bleuler-Preises für Autoepistolographie. Die Moll-Duplik führte alsbald den Zuschauer, der sich die Fingernägel angesichts dieses nervenzerreißend gut gemachten Hologramms komplett kaputtbiss, durch den ereignisreichen Abend, an dem noch zu sehen sein würden: der Holo-Klon des jahrgangsbesten Absolventen der Fips-Asmussen-Abendschule C. Heiland, ein vielversprechender Auszug aus der Theaterproduktion Weißwurstjahre von Claudia Schulz, die in diesen Tagen ihre Uraufführung feiern durfte, und ein Cover des Johnny-Cash-Songs „I’ve been everywhere“ vom großartigen Helmut A. Binser (oder seinem Avatar).
Ferner eröffnete der vermeintliche Moll sich selber, weshalb alle Leute blöd werden und erfuhr erstaunlicherweise von sich, dass im Leitungswasser sich wohl Psychedelika aufhalten und an den Synapsen Zinnober machen. Ein kluger Mann von beachtlichem Geiste ist er zweifellos, der Moll und auch sein Abbild.
Fazit: dass im mittleren Teil der Show eine Zuschauerin kurz aus der Hypnose fällt und sich vorübergehend schwer mit dem Jetlag tut, kann als Kollateralschaden bewertet werden. Aber, meine Herren, wir können sie wieder zusammenbauen. Besser. Schneller. Wir haben die Technologie. Uuuuuuwwiiiiuuuuuuuuuuwwwiiiiiuuuuuwwwiiiiiiiiiiiuuuuuuuuuwwiiiiiiiiiiiii
Wieder heißt es für den Kritiker, dem zu kritisierenden dienstäglichen Auflauf der Artverwandten nachzuschmecken, die einmarschierten dorten oben auf der großen Bühne im Komm, das da steht in Nürnberg, gleich gegenüber vom Taxistand am Hauptbahnhof.
Der erste Seniorenchor (1. SCN) Nürnberg bumste pünktlich um halb acht an die Tür, als ahnten die älteren Damen und Herren, dass der Saal voll werden würde. Was er folgerichtig auch wurde. Das Durchschnittsalter war dementsprechend erhöht und ließ den einen oder anderen spekulieren, ob dies am Tatort-Auftritt des Meisters M. Claus F. Egersdörfer läge. Freilich Unsinn, weil der oberste Spurensucher ja noch gar nicht ins Fernseh hinausgefunkt worden ist.
Andererseits des Chores Gesang ein hoch-, nein: höchstschöner war. Ein heimeliges Oma-Gefühl ergriff Besitz von mir, Geborgenheit und unbedingte Liebe segelten vom Himmel, wie heißer Kakao und eine selbst gestrickte Pommelmütze – nur mal zweiunddreißig. Dazu acht oder neun Opas im zweiten Glied, da passte alles. Sogar E., der größte Entertainer und Conferencier aller Zeiten dazu, wie er hinterm Vorhang hervor bollerte, gutest gelaunt, gleichsam eine rot-schwarze Harmoniekugel. Die, ohne größere Umschweife zu machen, das Treppchen herunter hoppelte, die Frau mit den Hosenträgern mittig in ein zivilisiertes Gespräch verwickelte, ein bisschen an den linken Rand des Publikums bemmste und dem rechten nicht einmal seine prächtige Kehrseite zeigte.
Sondern gleich den Raum dem Moll überließ, welcher Philipp Balthasar geheißene dann zwei zwirbelzarte Textbriketts von der Kanzel perlen ließ, dass im ganzen Saale wie im weiten Erdenrunde kein Nano-Fusel des Zweifels mehr verblieb, wer hier begriffen hat, an welcher Seite der Pfanne der Henkel absteht. „Parasakral und dyptichontisch“ ging P.B.M., der Äußere, ans Werk, sprach in bezaubernd geschnitzten Sentenzen zu Klimawandelung, Kirchweih-Exkorporaten und Albrecht von Mausgesees. Die grünen Schuhe, welche er, dies sei am Rande bemerkt, derweil trug, verdienten sich gleichfalls längstens nicht enden wollende Lobgesänge, scheinen sie doch die Qualität zu besitzen, nie altern noch auseinander fallen zu müssen. Zumindest nicht innerhalb der letzten 20 Jahre, heißt: so lange wie ich sie schon kenne.
Allein, weiter muss es gehen, muss das Rad sich drehen, denn in ganz wenigen Tagen dräut eine weitere Sternstunde der Stadt und dem Erdkreis, das geistige Kind einer innigen Vereinigung zweier Heroen der Bühne, eine Liebesfrucht mit dem schönen Namen „Erlösung“, zur Schau geboten von den Eltern Matthias E. und Martin P., dem österreichischen Puntigam. Während die Vorpremiere noch ein, zwei Tage sich zieren wird – wobei mit nichts anderem als kolossalem Erfolg zu rechnen ist -, lüpften die Mimen hier und da den Vorhang vorab und siehe: jene Kostproben waren nicht nur gut, sondern spitze.
Um Captain Ahab ging es im Egersdörfer'schen Monolog, um goldene Dublonen, die an die Rückseite von Kopierapparaten und Kühlschränken genagelt sind, um Masturbation anstelle von Revolution, bis dass auch noch das letzte Lied abgeklungen sei. Plus ein Sketch, in ganz klassischer Sketchmanier, mit Puntigam als Flirtberater und dem Egersdörfer als der Beischlaf-Anbahnungs-Volltrottel, was letzten Endes ein großartiger Anlass war, um im 5-Sekunden-Rhythmus das Wort „Ficken“ hinaus zu brüllen zu können, ohne den Zusammenhang zu verlieren. Meiner Meinung nach eine geradezu grotesk ideale Verbindung – Egersdörfer und Puntigam zuzeln sich gegenseitig den besten Saft aus den Schädeln, sehr zu Pläsier und Erleuchtung aller Augen- und Ohrenzeugnis ablegenden Wesen, der großen wie der kleinen.
Puntigam an sich – man hat das Gefühl, der Mann habe insgeheim geübt, was er da macht. Ein Österreicher, wie er im Bilderbuch des Bildungsbürgertums steht. Einer, der lustvoll ausspricht, was man nicht wirklich hören will, einer, der Kinderverkehrssicherheit und Kokain, süße Delphine und Dildos in einen Atemzug packt. Er spielt, als müsse er sich überhaupt nicht verstellen, er zappelt und schnieft wie unter Dampf, ein Lockenkopf, der aus glasblauen Knopfaugen starrt wie ein völlig Durchgedrehter. Nur bei der etwas altbackenen Thematik des Zölibats unter katholischen Priestern driftet meine Aufmerksamkeit geringfügig ab – ich weiß ja, wo's hinausläuft, aber unter dem – Vorsicht! Herrenwitz! - Abstrich: erste Sahne.
Die nächste Künstlerin, die gegen das verstockte Gesocks im Saal anstürmt, kommt daher wie sie näherungsweise heißt: Uta Köp(b)e(r)nick. Mit sechs Jahren kratzte sie auf einer Geige herum, die sie auch heute noch kunstvoll zu quälen versteht, doch richtig zu strahlen und zu schweben beginnt sie, wenn sie eine Gitarre in den Händen spürt, meisterhaft die Saiten zupft und dazu ultrahübsch gedrechselte Textlein singt. Mit ein paar anfänglichen Neo-Sponti-Sprüchen („Wenn der Humor flöten geht – wieso soll der nicht auch mal musizieren?“) kommt das hundsverwöhnte Publikum nicht klar, aber als sie zu singen anhebt wie eine Nachtigall, kacken dagegen all die eierlosen Hipster-Singer-Song-Writer-Winsler im Hunderterpack ab. Meine Nummer Eins ist „Der Merkur“, ein Cross-Over aus Tagespolitik, Sprachwitz und Astronomie, gespickt mit Zitaten wie ein Wurstigel auf dem Buffet bei Heinz Erhardts 50sten Geburtstag.
Technologisch tadellos betüddelt vom fulminanten Fürbringer an der Kamera, sowie insgesamt von Andi auf dem Ton und dem Butzlibären Stefan mit den zauseligen Haaren hinterm Licht – war zwischen allem darinnen das Interview an der Reihe mit Ernst Cran, ehemaliges Mitglied der „Groben Popen“, der heutigen Tages dem überaus interessanten wie spärlich gesäten Beruf des überkonfessionellen Grabredners nachgeht. Eine durchaus kontroverse Figur, die wahrscheinlich nicht jeden im Saal überzeugte. Aber sehr vertrauenswürdige Quellen berichten, dass Herr Cran auf dem Friedhof überdurchschnittlich gute Arbeit abliefere. Ich wünsche keinem, dass einer sich so schnell davon selbst ein Urteil bilden muss, und will's dabei belassen.
Zum Abschluss - und nicht ausreichend gedankt werden kann dafür Egersdörfer und seiner formidablen Partnerin Claudia Schulz -: der gespielte Witz! Schulz alias Carmen in beispiellos scheußlichen Outfit, einer Glitzerbluse in so tödlichem Lila, als sei sie im Abwasser einer Zyklon-B-Fabrik eingefärbt worden. Der Witz? Ach so: die alte Story von den drei Schwestern Uschi, Otze und Öse. Überragend!
Bird Berlin, dem leider am Ohre erkrankten sandten alle versammelten Herzen den Wunsch auf baldige Genesung zu, wir haben ihn schmerzlich vermisst. Was noch? Nun: wir freuen uns auf diverse Previews und Preview-Previews der „Erlösung“, die anstehen, und zwar am 16. und 17. in der Katana (Obacht! Ausweise für die Südstadt mitbringen!), am 20. im Babylon und last but not least am Dienstag, 21. Oktober im guten alten Bernsteinzimmer zu Nürnberg. Die heißeste Scheiße der Stadt – das ist garantiert! Die nächsten Anverwandten am 18. November dieses immer noch selben Jahres! Wer nicht kommt, muss damit rechnen, unermessliche Wunder schlichtweg zu verpassen!
Ich fand die Ausstellung sehr sehenswert. vor allem der Adventskalender war einfach super.
Wer behauptet, öffentliche Äußerungen mit informativem oder kommentierendem Charakter über Urlaub, die Reiseindustrie oder deren Begleiterscheinungen seien dekadent, oberflächlich und sowieso westzentristisch, der hat vielleicht von anderen Dingen Ahnung, doch nur bedingt recht. Denn die anwesenden Artverwandten beehrten das Lieblingsthema des deutschen Prekariats in bald überfließendem Maße mit ihrer Aufmerksamkeit.
Für tropische Stimmung sorgt zu Beginn schon Bird Berlin, der schönste halbnackte Mensch Nürnbergs, der den Paradiesvogel in rot und gelb gibt. „Ein Bird Bild für das Urlaubsalbum“, phantasiert da der Zuschauer vor sich hin und nuckelt verträumt an seinem Eistee. Da schießt schon der Gastgeber E. in Animateurenmanier auf die Bühne und reißt den armen Phantasten aus seinem Tagtraum, in welchem, durch wilde Assoziationen aus Bird Berlin und Eis Tee ein Eisvogel und ein Berlin-Tee geworden sind. Oh, du ungefragt stimulierendes Halbdunkel des Zuschauerraums, verflucht seist du.
Der Animateur jedenfalls erteilt der Frühjahrsmüdigkeit eine Absage und jagt zu diesem Zweck seine devote Bühnenpartnerin Claudia ((Carmen Schulz) oder andersherum) ans Mikrophon, welche auch schon einen Hochgesang über die unbegrenzten Urlaubsmöglichkeiten durch die Existenz von Kreuzfahrtschiffen anstimmt. Auch der sog. Wendler wird genannt in diesem besinnungslosen Sermon über die Eventtourismus-Industrie und als dieser Redefluss in einer zugegebenen diarrhoeischen Erinnerung vom Bayerischen Wald mündet, erfreut man sich gemeinsam am ersten Gast des Abends, nämlich am Philipp, dem Moll.
Jener hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, dem Philipp, also sich selbst und der Restmenschheit die Welt in liebevoll geklöppelten Polemiken zu erklären und tiefste, unerforschte Zusammenhänge aufzudecken, wie zum Beispiel den der Physiognomie natürlich komischer Tiere (Hummel, Seegurke) mit der Existenz a) des Fichtelgebirges und b) einer Ilse Aigner. Am Ende von Molls „Trimm-Dich-Pfads der Exegese“ wartet auf den Philipp und die Restmenschheit die verblüffend einfache Erklärung: wenn ein Schöpfer, so Moll, derart degeneriert ist, dass er komödiantische Meisterwerke wie die Hummel erfindet, dann braucht man sich über so was wie eine Aigner nicht wundern. So einfach ist die Erklärung. Da klatscht selbst der anwesende Bürgermeister verzückt in die Hände und wundert sich über so viel inkarnierte Schlauheit, wie der Herr Moll halt derer eine ist.
Schlau ist auch Christoph Theussl, der auch Gast ist und sich auszeichnet durch eine blaue Gitarre. Passend dazu hat er einen blauen Stuhl mitgebracht, auf welchem er ganz zurechtgemacht aussieht. Christoph Theussl kommt ursprünglich aus Österreich, das kaschiert er jedoch geschickt durch seinen Hauptwohnsitz München. Dort ist er aktiver Theater- und Filmschauspieler (Helmut Köpping machte ihn 2006 – das war aber noch in Österreich – mit seinem guyritchieesken „Kotsch“ über Nacht zu einem Shootingstar), nebenbei hat er eine Lesebühne mit u.a. Moses Wolff und außerdem ist er unregelmäßig an Poetryslams beteiligt. Theussl wahre Kunst ist jedoch das Liedermachen: fernab vom Austropop-Kitsch kreiert er kleine, größtenteils melancholische Stücke in österreichischer Mundart, die oft leichtfüßig daherkommen und in menschlichen Tragödien enden. Theussl macht die schönste Trigger-Musik für latent Schwermütige die man sich vorstellen kann. Da kann man nur, in Anlehnung an einen Theussl-Titel, sagen: "i muass net theussl hörn um depressiv zu weadn".
Diesen Gemütszustand kann man schon erreichen, wenn man aus Versehen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, wie es Käthe Lachmann aus Hamburg passiert ist, deren schärfste Waffe wohl ihr loses Mundwerk ist. Die Sprachcouleur von tragischen Persönlichkeiten, denen man in Zügen beim Siechen zusehen muss, beherrscht Lachmann fast besser als die eigene Zunge. Apropos! Themenwechsel! ZDF! Es wird unheimlich: der Saal ist erfüllt von der unheimlichen Ahnung, Andrea Kiewel könnte jeden Moment erscheinen, vom Schein eines Kohlenfeuers beleuchtet, wie eine böse Abart der Zahnfee, die nicht die alten, losen Zähne abholt sondern den Kindern die gesunden Beißerchen aus den Kiefern bricht, sie sich selbst einsetzt und dann in fremden Zungen Zähnen spricht. Keine schöne Vorstellung. Eine gute jedoch ist das, was die Lachmann da abliefert.
Offiziell, informativ und endgültig urlaublich wird es dann noch in der zweiten Hälfte der Show: die Regierung des glorreichen Königreichs Malokko setzt alles darein, den Tourismus im eigenen Land anzukurbeln und schickt einen Diplomaten vor, der dem, was malokkanische Belange angeht, eher ungebildeten Publikum einen Lichtbildvortrag darbietet über Land und Leute und besonders über seinen schönen und gütigen Herrscher Don Juan Campos, eine wirkliche Ausnahmepersönlichkeit, deren Lebensweg jüngst in den Kinofilm „Die pinke Entrückung“ gegossen wurde. Der Vortrag des Diplomaten erzeugt offene Münder beim Publikum, außerdem unwillkürliches Applaudieren und hoffentlich noch eine schöne Summe in den Staatskassen. Wir jedenfalls entbieten unseren Gruß nach Malokko und sagen „Ga'ac Launn!“ (malokk. für „Viel Glück!“)
Wer jetzt meint, das wäre alles gewesen, wer vermutet, nach Unterhaltung und Information (Stichwort: Infotainment) könne nichts mehr kommen, der fällt an diesem Punkt endgültig vom Stuhl, denn hinter dem schweren Vorhang und auf Nebelschwaden windsurfend kommt wie ein ferner Traum Ivo Lotion hervor und singt zur Melodie von Gnarls Barkley ein sehr schönes Lied über Menschen. Dieser dramaturgische Kniff mit dem sexuell anregenden Song am Ende eines wunderbaren Abends ist weise gewählt und nun fällt selbst der Bürgermeister aus dem Jackett und tanzt, wild und ekstatisch zuckend zur Musik, die von Ivo Lotion auf einem Handfunkgerät gespielt und mit einer Mischung aus Grönemeyer- und Joe-Cocker-Manier gesungen wird. Dabei sieht er aus wie Lou Reed. Der Ivo, wenn er singt. Nicht der Bürgermeister, wenn er tanzt.
Ich bin mir sicher: in vielen Jahrhunderten einmal, in den Chroniken der Welt, da wird über diese „Maien-Ausgab der des Egersdœrfers seiner Artverwandten im MMXIV A.D.“ von „einem superplusknorken Event“ berichten werden. Davon darf man ruhig ausgehen.
Es war nicht einfach, diesmal, überhaupt nicht. Viel Volk saß an diesem 8. März stumpf vor dem Fernseher, wegen Champions League und doofen Dortmund. Oder rannte hirnverödet zu einem Konzert der Zombie-Truppe „Ton, Steine, Scherben“. Selber schuld! Wer das Heute nicht versteht, darf ruhig ins Gestern flüchten – viel Spaß dort!
[Ausnahme: Gymmick, der m.E. wie kein anderer mit der Stimme Rio Reisers im Goldkehlchen zur Welt kam].
Jedenfalls hielt besagte Kombi das Kroppzeug fern, auf dass Matthias Klaas Friedhelm Egersdörfer (richtiger Name ist der Redaktion bekannt) nur die edelsten Gäste, quasi eine exquisite Öffentlichkeit im großen Saale des KOMM zu Nürnberg zunftgemäß zur April-Ausgabe der „Artverwandten“ begrüßen konnte.
Der eindeutig überqualifizierte Martin Fürbringer kümmert sich ums Licht. Und fürwahr (sorry für den dämlichen Joke, aber er ließ sich nicht unterdrücken) brillant und fulminant wie selten zuvor war der große Festsaal ausgeleuchtet, denn Fürbringer hat eine Tatsache begriffen, die an den Betonklößköpfen der Meisten zerschellt: es gibt mehr Helligkeiten als Ganz oder Garnicht. Viel Raum für Abstufungen ist noch zwischen da, die getrost eingesetzt werden dürfen. Großer persönlicher Dank dafür direkt aus meinem Herzen!
Bloß was war denn los mit dem Maestro? Steckt sein Kopf schon in den rosa Wolken des herannahenden Traumurlaubes mit seinem ehelichen Turteltäubchen? Wälzt er sich hinter seiner immer höher und ausladender um sich greifenden, splitternackten Oberstirne bereits im Lotterbett, doppelt und dreifach so entblößt wie ein Bird Berlin und nicht minder voluminös?
Oder verausgabte sich der größte Spaßvogel, den bekanntlich ein Großraum je hervorbrachte, endgültig bei der ziemlich dufteprima Veranstaltung im E-Werk, die letzte Woche in Erlangen premierte („Egers calling“)? Oder bei der furiosen Lesung in der Galerie Bernsteinzimmer am vorangegangenen Sonntag?
Jedenfalls war er gut gelaunt, der feine Herr E. aus F. in seinem roten Ober-H., nur auf die Idee, ein neues Stücklein aus eigener Feder vorzutragen, kam er offenbar nicht. Ist er ausgebrannt und übermüdet einem „burn out“ vor die Flinte gelaufen? Oder ist er umgekehrt satt und gelangweilt im kackwarmen Bade des „bore out“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Diagnose_Boreout) eingeschlummert ...? Egal: scheiß drauf.
Apropos: schon nach ungefähr vier Minuten hatte der ungehobelte Zuwanderer aus Lauf extrem rechts der Pegnitz bereits zwei Zuschauer als „blöde Sau“ beschimpft und dem Saal eine Füllung mit „lauter Arschlöchern“ bescheinigt. Satt, saftig, unsere Erwartungen zwar erfüllend, aber zu deutlich folgenlos.
Spaziergang des Schreckens? Ja. Homosexuelle Tendenzen werden gemeinsam ausdrücklich begrüßt. Hübsche Damen finden sich auch selbst ganz hübsch. Wir auch. Die komplette Show wurde spontan einer sehr appetitlichen Risottoköchin gewidmet. Zumindest wenn sie denn dann endlich fertig gegessen und runtergeschluckt hätte.
Denn im Handumdrehen erstieg Andy Maurice Müller a.k.a. Herr Eichhorn die Bühne. Matthias E. überlässt ihm die Arbeit, stachelt ihn höchstens mit ein paar machoiden Phrasen an, spotzt die üblichen Kraftausdrücke „Hinterlader“ und „Arschficker“ in Mikro, doch richtig verfangen wollen die gesamten Verbalinjurien nicht. Denn Eichhorn entfaltet einen bitzelnden Kakutsstrauß der sexuellen Wahnvorstellungen – hart am Abgrund zur kriminellen Perversion balancierend. Exakt genau darum auch auf angenehmste Weise Werte wie Maßstäbe zersetzend. „Ein Stammhalter, der alles andere hält, bloß nicht den Stamm“ (cit. M. Eg. aus L.) und uns herzlichst willkommen!
Während Egersdörfer einen unverhofften freien Tag durchaus auch im Park spazierend verbringen täte, gehüllt in einen grauen Mantel mit Nichts darunter, und sich lediglich vor 30 Jahren über Hochglanzfotografien von Samantha Fox die Haut von den Handflächen gewichst hat, beweist Eichhorn so etwas wie Visionärstum, indem er liebevoll eine wasserfarbige Szene an der Supermarktkasse malt: (zum Kassierer, einem hübschen jungen Mann) „Ich hätte gerne Oralverkehr“, worauf der Kassier: „Wenn es der Schlange hinter Ihnen nichts ausmacht, gerne“, daraufhin wiederum die Schlange: „Ja, ja, macht nur. Was muss das muss ...“
Das sitzt. Das schlägt ein. Das reißt einem das lästige graue Haar aus der Nasenscheidewand.
Dann Bird Berlin! Er singt! So schön, dass es Tränen regnet! Er ist der zweite Rekonvaleszent, welcher einer Abwesenheit entstieg. Wieder gesundet ist er, und beide Ohren sind noch dran, wir alle haben es gesehen.
Eine Erscheinung an sich ist B.B., wie immer. Schürze aus Speck an der Vorderfront und wollige Pelzinseln mit Glitzer bedeckt an Rückwand und Schultern, Sternensplitter und Feenstaub. Dazu hybrider Fistelgesang und Musik, zusammengewurstet aus digitaler Plaste und Elaste. Und schließlich einem Wollstrumpf von der Farbe eines schwulen Rotkehlchens über den linken Unterarm gestülpt.
Ei ei ei – von Hundert bleiben drei, sagten die alten Schweden oder Henscheid oder wer auch immer.
Und schon war auch der alte Granteldampfer Philipp Balthasar Moll, den wir zuletzt arg-arg vermissten, wieder da, und platzte wie ein Staudamm, in den ein Bösewicht an strukturell kritischer Position ein Löchelein gesprengt hat.
Ob's das grauenhafte Söder war, das im Folgenden seine wohlverdienten Verbalprügel abbekam? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass Moll zu singulärer Übergröße auflief, ewiger Weltrekord war das, in der Disziplin „Brief an mich selbst“, in deren dornigem Verhau mehr als ein Hanswurscht schon hängen geblieben ist, der sich selbst maßlos überschätzend den eigenen Buckel überlud. Und das alles, so Moll, „rein zum eigenen Vergnügen“ vorgelesen.
Prügel mit einem Knüppel freilich, der dem widerwärtige Wicht von Heimatminister so dermaßen unverdiente Ehre angedeihen lässt, wie er mit diamantenen Worten und güldenen Sätzen forunkelte. Und ich sehe schon den Tag kommen, an dem die Sprache, die uns gewöhnlichen Sterblichen zu Gebote steht, nicht mehr ausreichen wird, um die Moll'sche Genialität auch nur ansatzweise zu skizzieren. „Kuttenbrunzer“ gefällt uns ganz außerordentlich, gleichfalls die „Saukutsche imperialen Ausmaßes“, wiewohl die „Steckrüben auf dem Wahlzettel“. WORTGEWALT lautet die korrekte Bezeichnung für das, was da über uns herein brach, vom „Unbayern“ über „bleierne Gründeltaucher“ bis zum „nicht detonierenden Klangkörper.“
Auf gut fränkisch: ich fand's halt echt nicht übel.
Dass direkt am Tag nach dem Dienstag, den viele auch als „Mittwoch“ bezeichnen – also den Tag danach -, der ebenso gut aussehende wie sympathische und hochtalentierte Moses Wolff im Kunst- und Kurhaus Katana [ Anmerkung: wieso heißt der Laden eigentlich nicht Satana? ] zu Gast ist beim Moll, gab Egers spitzbübisch grinsend bekannt, vergaß jedoch sträflichst am Ende der Show zu kontrollieren, ob auch jeder Schlumpf auf dem Parkett sich diese sog. „take home message“ gemerkt hatte. Egersdörfer, Egersdörfer! Wo warst Du nur mit den Gedanken in Deinem dicken Kopf? Stand da am Ende wieder die leere Badewanne da, von vier Mannen hineingeschoben, als Du einmal kurz nicht achtgabest?
Einen gewissen Michael A. Tomis kündigte nächstens Birdy an – einen, wie sich ganz schnell herausstellte, nicht vernachlässigbar begabten Parodisten, dem es während seiner zweiten Erscheinung auf dem Bühnenholz sogar gelang, einem, der nur sporadische Fernsehsprengsel genossen hat und dessen Filmklamotten-Kanon demnach eine ziemlich löcherige Angelegenheit ist, Stars der 50er, 60er und 70er Jahre verblüffend plastisch auferstehen zu lassen. Dean Martin, Theo Lingen und Louis de Funés (der übrigens von spanischer Abstammung war), materialisierten sich mühelos in Tomis' Gestus und Stimme. Das kann nicht jeder, das spricht für ein gehöriges Scherflein Talent.
Was Tomis jedoch nicht tun sollte, vorausgesetzt er möchte noch andere Bevölkerungskreise als die Insassen von Demenzkliniken oder Unterbringungsanstalten für alkoholkranke Wurstfachverkäufer erreichen, ist, seine Witze selbst im Internet zusammenzuklauen. Vermutlich nennt man das heutzutage gar nicht mehr klauen, sondern spricht von einer eklektischen Selektion.
Gut: Tomis erklärt von Anfang völlig offenherzig, dass er in seinem Notizbüchlein lustige Sprüche sammelt, egal in welcher Jauchepfütze er über sie stolpert. Eine Art „comedy crowd sourcing“ also. Dass es dennoch per se an Unverschämtheit grenzt, wenn einer extravagante Durchsagen von Schaffnern der Bundesbahn aus dem Internet abschreibt, wo analfixierte Scherzkekse solcher Art Mutterwitz akribisch zusammentragen, und vor einem zahlenden Publikum aus einer Kladde abliest, muss für die Nachwelt unbedingt konstatiert werden.
Ich kann nicht umhin, von fadester Zweit-, Dritt oder gar Viertverwertung des komischen Genius' ungezählter Vorläufer zu sprechen, so als ob eine Kuh den Fladen, den ihre Nachbarin hinterließ, noch viermal wiederkäut, ehe sie das endgültig substanzlose Endresultat der Zuschauermenge vor die Füße kackt.
„Man muss es bositiv sehen, oder?“ bettelt Tomis und fügt an, dass man sich in der Vorweihnachtszeit befinde, denn: „[es] ist wirklich so, weil wenn die Ostereier weg sind, dann kommen die Weihnachtsmänner.“ Mein siebenjähriger Neffe würde an dieser Stelle kurz gähnen und dann weiterschlafen.
Und trotzalledem haben sich zwei oder drei Frauen in die mittlere Reihe verirrt, die sich beinahe einbrunzen vor Lachen. Oder waren die auf Dope und lachten über die total witzigen Maserungen in den Stuhllehnen vor ihnen? Eventuell sind sie auch bezahlt, der Herr wie sein Gescherr - und jedenfalls dumm wie Günther.
Zusammengefasst: definitiv das Gegenteil eines Erweckungserlebnisses, und nicht zufällig stellte nach der Vorstellung ein Augen- und Ohrenzeuge die Frage, warum sich Herr Tomis keinen sucht, der ihm ein paar Pointen schreibt, die auch nach Gegenwart riechen?
Ich kann nur vermuten, dass er sich seine Nische bewusst aussuchte: der an den besten zwei oder drei Monaten seines Lebens hängen gebliebene Mitfünfziger, der einer verblödeten Angestelltenmischpoke angehört, welcher Tomis, der ehemalige Großraumbüro-Kasper, selbst entstammt und die er, ohne jedwede ironische Brechung, selbst darstellt: „Ey, hab gestern nen super Spruch im Internet gelesen. 'Sagt der Reporter, die Hochwasseropfer schöpfen Hoffnung …' ha ha ha ha, ich lach mich tot.“
Wegen mir … bitte!
Bird Berlin ging erneut aus sich heraus, nicht nur sängerisch, sondern einen Schritt weiter und ganz spontan, alldieweil er aus seinem eigenen Gedichtbändlein rezitierte (wo auch immer er für dieses in seinem Semi-Adonis-Kostüm ein Versteck gefunden hatte). Blubber, Spritz, Gluck, Gluck verkündete Dadas gefühlt dreijähriger Urenkel, ehe er plangemäß anhub, zu singen und sich dabei zu winden wie eine aus der Art geschlagene Boa Constrictor, die vor nur einer Minute ein Nilpferd verschluckt hat.
Stark beeindruckt von dieser Performance zeigte sich der aus Wolfratshausen stämmige Josef Brustmann, ein alter Hase, der eigentlich alles schon einmal gesehen haben sollte.
Möchte man meinen. Ein glitzerndes Nummerngirl mit Vollbart jedoch scheint noch nicht einmal ihm, dem Senior unter den Artverwandten untergekommen zu sein.
Nun. Dieser Brustmann. Eines der Bayerischen Männchen wie sie einst schon Ludwig Thoma bzw. Ganghofer geschnitzt haben. Knorrig, trocken, rissig, unfassbar robust. Wie ein Bub, der die Vorrede zum Weihnachtssingspiel hält, steht er da, wie der erste Offizier, der aus einem demolierten U-Boot steigt und dem Admiral rapportiert, wie der Angeklagte vor dem Revolutionstribunal, der ruhig, aber entschlossen seine tödlichen Überzeugungen herunterleiert.
Seine Themen: die katholische Kirche, außerdem die katholische Kirche und ferner die katholische Kirche. Außerdem ging es um Hostien, Pfarrer und Ministranten, aber auch um CSU.
Zudem sich Brustmann, sich seiner Balladen bedienend, die er gekonnt auf der Gitarre vortrug, streckenweise arg in einer leicht angekalkten Sentimentalität verlor. Die Unwiederbringlichkeit einer Kindheit auf dem Lande, Bauern, die mit Twitter und Piercing-Studios zusammenprallen, Sextouristen in Bali, die wenige Stunden zuvor noch barfüßige Kuhhirten waren, kurz: der Einbruch der Moderne ins „Dahoam“.
Wie soll ich sagen? Frisch wirkte der Vortrag nicht, jedoch kam da etwas rüber, vom Brustmann zum Publikum, eine seltsame Aura, die ihn umwehte, etwas ehrfurchtgebietendes, das der gelungenen Mixtur aus Haltung, Dialekt, Tonfall, Duktus und Verstaubtheit entstieg: da kamen wahre Gefühle herüber, tief empfunden und eindringlich dargestellt, so dass mir nicht erst als Letztes Willy Michel durch den Sinn ging, wie er vor ca. 25 Jahren sein hypnotisches „Isarflimmern“ zum Besten gab ( http://www.youtube.com/watch?v=FElttDdXdGg ).
Wie dem auch immer sei - selbst wer Reime wie „Geschwommen im Kreis / Das Leben von dem Fisch ist ein Scheiß“ nicht wirklich super-großartig findet, sollte sich dennoch unbedingt selbst ein Bild machen, von dieser dürren Ausgabe eines Ottfried Fischers, wofür im Handumdrehen am 20. September im Burgtheater Gelegenheit ist.
Die ebenso bezaubernde wie bummsgescheite Natalie de Ligt hatte zu aller Anwesenden Bedauern ihren Zumba-Kurs ( http://www.youtube.com/watch?v=pOsdK1bgebw ), musste daher leider pausieren, was den dicken Vogel Berlin zu einem wirklich herzerweichenden Klagegesang hinriss. Vielleicht schaute sie auch das Dortmund-Spiel, aber wer weiß?
Sicher ist nur, dass der große Meister persönlich ein zweites Mal ans Rednerpult trat und vorlas. Zwar keinen Sprössling des eigenen Geistes, aber immerhin aus einem selbst geschnitzten Buch, für das er gemeinsam mit seinem Koautor Jürgen Roth ganz Franken bereiste. Ganz Franken? Ganz Franken.
Und somit auch Naila (Ofr.), wo Michi Sailers liebende Beschimpfung unserer Heimat ihren Ausgang nahm, in Bussen, die stets im Kreise fahren, nie dort anhalten, wo man steht, und in Wahrheit immer dasselbe Gefährt ist bzw. sind. Oder so. Die Auswahl dieser Passage jedenfalls war der gelungenste Streich des Meisters, der kongenial vortrug, was Sailer ihm und Roth in die Feder diktiert hatte.
Mein liebster Satz lautet: „Alles, was schlimm ist, bewahren die.“ Bloß auf den Brezel-Kolb in der Fürther Straße scheint den Sailer noch keiner gestoßen zu haben, denn dann täte er verstummen müssen, mit seinem Genörgel an der fränkischen Brezel, sei's mit, sei's ohne Anis.
Der Höhepunkt kam dann, wo er hin gehört, nämlich am Schluss. So wie der Schwanz am Hund, so der gespielte Witz. Oder, wie Matthias E. (134/133/144) es nannte: „die Krönung der schönsten Stunden“. Mit herzerquickendem Gesang angekündigt und extrem miserabel dargeboten vom Maestro aller Maestren himself und seiner kongenialen Partnerin Carmen (nach der auch unter dem Decknamen Claudia Schulz von der US-Behörde zur Bekämpfung geschmackloser Oberbekleidung gefahndet wird) und blöde wie ein Grottenolm – herrlich, war das, ganz ausgesprochen herrlich!
So herrlich, dass es gleich im Mai weitergeht, am Dreizehnten nämlich, selbe Zeit, selber Ort. Und wer nicht so lange warten möchte, um nochmal den Phil. Balth. Moll zu sehen, der kann sich am Karfreitag, also am 18. April nach Fürth in die A-Punkt-Theke bequemen, und zwar schon um 15 Uhr. Da liest der umfangreiche Recke aus einem Buch oder was.
Und Smul Meier singt Arbeiterlieder.
Es war mittwochs, am Morgen, kurz nach sechs, als draußen der große Fuddelwuddel einsetzte, mit krähendem Iman, mit bimmelnden Shivas und Ganeshas, eintausendundein furzenden Mopeds, und mit Kühen, die in einem einzigen gigantomanischen Pflatsch alle gleichzeitig ihren ersten Fladen aufs Pflaster spratzeln, dass der ganze Bundesstaat erbebt und die Luft anhält, bangend der Gerüche harrend, welche der erblühende Fäkalienstrauß des Tages wohl mit sich bringen würde.
Der Abend des Dienstags, der sich elfter März zwotausendundvierzehn schrieb, war ein wilder gewesen, und Zeuge großer Dislokationsvorgänge. In Nürnberg hatte der begnadete Fakir des Wortes, Matthias Klaus Friedrich Egersdörfer geladen, wie immer ins gute alte Komm, um dortselbst seine eigene wie auch die Kunstfertigkeit seiner hochgeschätzten Zunftbrüder und -brüderinnen zur allgemeinen Beschau aufzuklappen. Nur wenige Stunden zuvor und nur wenige 6.000 Kilometer entfernt, konkret um halb acht Uhr indischer Standardzeit am altehrwürdigen Ufer des Ganges, hatten sich die subkontinentalen Artverwandten des Laufer Giganten (extrem rechts der Pegnitz) am Dsashwamedh-Ghat zusammen gerottet, um gleichfalls fröhliche Urstände zu feiern. Beide Zeremonien möchten im Folgenden ihrer intrinsischen Kongenialität wegen gebührend gewürdigt werden.
Die Nürnberger Versammlung wäre nicht ihres Namens wert, durchtrennte nicht der Meister das goldene Band der Artverwandten, insofern er beim Spaziergang des Schreckens arglose Bürger, die ein mildherziger Geist zum Spektakel gelockt hatte, gründlich hinterfragt. Die kampfentscheidende Dialektik des Abschleckens versus des Abgeschlecktwerdens kommt angemessen zur Sprache, denn geht es doch um nichts anderes als darum, den Leuten von Anfang an wehzutun. Folgerichtig ist's einer Frau zu laut, ein Aussätziger wird aus Sicherheitsgründen rasch und komplett übergangen, ein Mann visitiert nach längerer Zeit zum zweiten Mal die Show, obwohl er sie schon das erste Mal recht ordinär fand, und er dürfte sein blaues Wunder erlebt haben. Auch das langweilige Designergewerbe und das spannende Versicherungskaufmannswesen, ein Bauernfünfer und Frau Birkenstock haben sich eingestellt, es kann losgehen.
Bird Berlin ist an diesem Abend entschuldigt, weil er krank ist, im und ums Ohr. Gute Besserung wünschen wir! Ebenso kann Herr Moll nicht anwesend sein, wegen eines kurzfristig herein geflatterten Slip-Unterhosen-Mode-Shootings auf den Seychellen. Auch er fehlt demnach mit Erlaubnis, wenngleich zum praktisch überabzählbar unendlich vielfältigen Bedauern des Berichterstatters. Im Zentral-Cafe, untendarunter von dem großen Festsaal bumbern Punker auf ihrem Instrumenten-Schrott, wobei die Hälfte der Leute eigentlich zuschauen hatte wollen, ehe sie dem komischen Rattenfänger im roten Hemde auf den Leime gingen taten. Aber das tut dem Spaß keinen Abbruch. Im Gegenteil.
Mister M/s Egersd/r lässt es beschaulich angehen, geht bis an die Auslöseschwelle der Sentimentalität, indem er berichtet von den Trampelpfaden seiner Kindheit, die in einen Dschungel führten, der auf Aushub und Bauschutt erblühte (Vermutlich ruderale Vegetation, lest's im Internet nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Ruderalvegetation). Diese Pfade nahm er, um Vater und Mutter, der Weltgrenze im Allgemeinen und ganz speziell den bitterbösen Schwestern zu entfliehen. Und um zu zündeln. In freier Natur die Lehren umsetzend, die den Egersdörfers ihr Bub am heimischen Badeofen erlernt hatte. Heute ist diese Wildnis verschwunden, mit geschmacklosen Neubauten und Balkonen zubetoniert, dieser Schauplatz des einzigen Einsatzes von UN-Friedenstruppen zwischen der Ahorn- und der Erlenstraße in Lauf a.d. Peg. jemals, dessen berühmtester Sohn seinerzeit am großen Dreckbatzen-Krieg maßgeblich beteiligt war. Süße Erinnerungen an für immer Entschwundenes, fürwahr, und ein wahrhaft sanft-zärtlicher Einstieg in das anschwellende Tohuwabohu des Abends.
Eine ganz andere Sache ist es, wenn neun Priester gleichzeitig damit beginnen, neun silberne Kerzenhalter zu schwenken, nebeneinander und möglichst synchron, wie in einer Tanz-Revue aus den 1940er Jahren. Wenn sie Umdrehung für Umdrehung das Spektakulum steigern, indem sie hundertfach flammende heilige Lampen zücken und dicke Weihrauchwolken abblasen wie Dampferschornsteine. Alles immer neunfach und gleichzeitig, und weil niemand die heiligen Kühe schimpfen darf, nehmen dieselben sich, Männlein wie Weiblein alle Freiheiten und spazieren ganz unverfroren durch die dichten Zuschauerreihen, auf den großzügigen Freitreppen, den Badeplattformen und einfach überall. Wo sie herbeigetrottet kommen, entsteht Unruhe. Saris und Herren-Röcke werden gerafft, Kinder gepackt und sorgsam fortgerissen, die Einweg-Tonschälchen mit dem Masala-Chai hastig geleert. Panik bricht spätestens dann aus, wenn ein Bulle zeigen will, was er drauf hat, und zu brunzen beginnt, und zwar mit Schmackes. Ein Pissefall plätschert dann die Stufen abwärts, niemand folgt mehr der Zeremonie, nur auf den Schiffen sind die Gläubigen noch ganz bei der Sache, da Kühe nur extrem selten zum Pissen ins Wasser gehen. Vielleicht ist es ihnen im Fluss einfach zu schmutzig. Eine ganze Armada hölzerner Ruderboote drängt sich in engem Bogen um die neunfaltige Kultstätte auf der Plattform über dem Ufer, die Boote bis zum Kentern mit Pilgern vollgestopft, die das gold-glitzernde Gezappel inbrünstig bestaunen.
Die schräge Harmonium-Musik kommt vom Band, was spätestens dann zu Tage tritt, als der Strom ausfällt und der ganze Ghat mitsamt fünftausend Menschen ein paar Minuten lang im Finsteren hockt, bis einer das baufällige Kernkraftwerk wieder angeschmissen hat. Nur die tausendfingrigen Kerzenbäume glitzern ganz zauberhaft in der schwarzen Nacht, auf den Ältaren und in den kleinen Wachspapierschälchen, die unaufhörlich flussabwärts treiben. Und nur noch die zwei-drei Dutzend Glocken scheppern, die von fanatischen Glöcknern geschwungen werden, als ginge es um die Aufrechterhaltung der Erddrehung als solcher, immer zwei Glocken an einem Seil, ein nie versiegender Lärmteppich, der majestätisch über dem unkonzentrierten Plappern und Keifen der knackig gepackten Menge schwebt.
Solch einen Auftakt könnte ich mir ja auch in Nürnberg vorstellen, bloß dann halt im Sommer, damit es die halbnackten Gurus nicht zu arg friert, bei unter 35 Grad, und damit die Kühe frisches Gras finden, zum Beispiel auf der Verkehrsinsel in Gostenhof, gleich vor dem Cafe Regina. Ich werde diese Idee dem innerbetrieblichen Vorschlagswesen des Egersdörferschen Imperiums zur wohlwollenden Begutachtung unterbreiten.
El Mago Masin muss sich als erster Gast des Abends dem unerbittlichen Mob stellen – wie aus Kalksandstein getöpfert steht er vor meinem inneren Auge, ein Riese – inwendig als auch seine irdische Hülle. Einst Adept der Show, heute selbst ein Sadhu, zu dem die Menschen aufschauen, um über ihn zu lachen. Er wird im Laufe des Abends sogar den Gastgeber zum Tanzen bringen. Wir alle wissen, dass Matthias E. ein begnadeter Tanzbär ist, welchem himmlische Mächte die Gabe des Alphabets verliehen haben, so dass er sich exakt 10 Jahre, nachdem er sich zum ersten Mal der mordlüsternen Meute einer zahlenden Zuschauerschaft auslieferte, beim durchaus dämlichen Hepatitis-ABCDEusw.-Song zum Deppen macht. Zunächst jedoch erzählt der El Mago davon, wie er Erlenstegen auf der Suche nach einem Ersatzinstrument unsicher machte, da er seine Gitarre ganz professionell in Mainz verschusselt habe, und von der Beatles-Coverband, in der er viele Jahre gespielt hätte, um technische Probleme zu vertuschen. Aber die verursachte im großen Festsaal nicht Andi, der Mann an der Soundtechnik, der an all den vorangegangenen Abenden makellose Klänge produziert hatte. Die Technik reagiert nahezu indisch – erst versagt sie ohne sichtbaren Grund, erholt sich aber bald scheinbar wie von selbst.
Masins „Eckbert“ ist ein wunderschönes Lied - dank Lennon und/oder McCartney. Der Text allerdings könnte auch einer der schwächeren von Gymmick sein, wenn dem nix anderes einfällt als Saufen, Kotzen und Kopfschmerzen. Recht hektisch springt Masin weiter durch die Klaviatur des wohltemperierten Wortspiels, von Blindenhund zu Katzenallergie. Danach erst wird’s halbwegs akzeptabel, im Dialog mit Ex-Freundin Andrea im Publikum und mit einer Hommage an Reinhard Meys „Annabelle“, in der Ökovariante des 21. Jahrhunderts mit Achselhaaren und Kirschkernkissen.
Der Meister himself fährt im Programm fort, er bramarbasiert, sich selbst immer näher an die rote Linie manövrierend, hinter der er selbst betroffen wäre, sprich: über Haarverlust und Restfrisur-Inseln. Ganz jovial erwägt Ma.Eg., nur aus lauter Überdruss in die Hosen zu brunzen, denn er mag es, wenn die Bude lediglich schlecht gefüllt ist, mit Leuten, die nur mühevoll Applaus spenden und denen der Verdruss in die miesgelaunte Fresse geschrieben ist.
Nun – für den nächsten Künstler, der eigens den weiten Weg aus Berlin gemacht hat, wird frenetisch geklatscht, obwohl wir noch überhaupt nichts wissen über Burkhard Bering, außer, dass Matthias E. selbst wie ein regelrechter Idiot über die Videos des Kollegen lachen habe müssen - passend zum Remmidemmi im Untergeschoss – mit einer neuartigen Kunstform namens „gesprochenen Punk“, dessen einziges Instrument die Handpuppe ist, welche Bering nach Vorbildern aus selbstverfertigten Comics gestaltet (natürlich damit kokettierend, es nie gelernt zu haben). Er steigt ein mit ein paar Kalauern in der Tradition Heinz Erhards, ehe er eine wirklich hübsche Miniatur über Vorder-, Hinter- und Kellerhaus vom ganzen Stück hobelt. Mir dünkt er beim ersten Hören ein klassischer Witzbastler zu sein, mit einem ganz charakteristischen Buben-Stimmchen, gewiss ein Freund des vertrackten Reimes und somit ein Enkel Ottos, Loriots und Helge Schneiders zugleich – denn Komiker können bekanntlich weit mehr als zwei Großväter haben. Bering suhlt sich leider auch in Hundedreck und lässt nicht einmal die Hitler-Persiflage aus. So sehr ich es auch bedauere – richtig vieles, welches wir nicht schon deutlich mehr als zehn Mal von anderer Seite vorgekaut bekommen hätten, war da nicht dabei.
Der Berichterstatter spürte morgens, am Mittwoch, nicht einmal seinen eigenen Schädel, vielmehr fühlte dieser sich an, wie ein ausgeblasenes Ei, und seine unendliche Schlaffheit überwindend, warf er sich auf die andere Seite seines malträtierten Leibes und schlief sofort vier weitere Stunden, ehe er den Fuß aus dem Bett streckte. Der Monsun hatte den Himmel mit den ersten Ankündigungen in Grau auf Grau plakatiert, der Luftdruck spielte mit seinem Kreislauf „außer Kontrolle geratenes Kettenkarussell“. Es gab nur noch eine Gewissheit für das Leben dieses Tages: es würde regnen, und zwar heftig. Umso heilbringender legten sich die Stimmen aus dem fernen Europa von beiden Seiten um den waidwunden Kopf.
Martin Puntigam, angereist aus Wien und nicht aus Berlin, war ja schon einmal zu Gast beim Egersdörfer gewesen, und er erinnert sich prompt wollüstern an die Schlosserei des Meister Robrock. Puntigam berichtet von seiner ersten Scheidung, und es liegt wahrscheinlich daran, dass in meinen bundesdeutschen Ohren Aussprache und Tonfall Puntigams die eine oder andere Reminiszenz an Josef Hader wecken. Hat letzterer nicht auch eine Nummer über seine Scheidung im Gepäck? Ein reichhaltiges Thema, so eine Scheidung, klar: ein reicher Quell der Tabubrüche, da das Eheleben so mördermäßig mit Intimität gesegnet ist. Doch in Puntigams Vortrag ist konsequenter Weise kaum etwas absolut überrumpelnd, vielmehr vieles vorhersehbar, und auch das Verdauungsprodukt des Hundes kommt zur Sprache, als ging heutzutage gar nichts mehr ohne jene widerlichen Häufchen. Möglicher Weise eine ganz natürliche Reaktion moderner Kunst und Kultur auf die ganz unangenehme und ungebremste Ausbreitung sinnentleerter Hundshaltung.
Mir persönlich am besten gefiel dann die Familienepisode von Großmutter und Großvater, dem SS-Offizier und der Widerstandskämpferin. Hier beweist Puntigam seinen Mut, hier tritt er hinaus auf einen wackeligen Balkon ohne Geländer und Sicherungsseil – als wirklich ingeniös möchte ich den Kopfweh-Fetisch beim Sex bezeichnen, und das Anton-Syndrom werde ich in meine Abteilung des unnützen Wissens übernehmen. Und obwohl ich ja grundsätzlich Katzen freundlich gesonnen bin, amüsierte ich mich auch über die Beschimpfung der Felidae ganz großartig. Einer der ganz Großen, das ist der bissige Österreicher meines Erachtens zweifelsohne. Nicht zuletzt im Interview mit dem traumhaft geschickt vorgehenden Matthi. Egersd. eweist Puntigam seine Befähigung. Sein Kamm schwillt, seine Eitelkeit tropft auf die Bühnenbretter, und stolz berichtet er von der brutalen Dressur zweier Österreichischer Physiker, mit denen er das vielgerühmte Wissenschaftsprogramm der Science Busters auf entsprechend sechs Beine stellte.
Egersdörfer vergisst anschließend nicht die Merksport-Aufgabe des Abends zu stellen, und zwar einer überaus sympathisch wirkenden Frau, die den Test am Ende der Show spielend besteht: Martin Puntigam und die Science Busters treten am 11. und 12. April im Gostener Hoftheater zu Nürnberg auf. Wieder einmal werden zwei Kopfnüsse nicht verteilt. Schade.
Tropisch warmer Regen, als liefe dort oben der Whirlpool einer Gottheit über, peitscht auf mürbe Dächer und müde Pilger. Dicke Schichten monatelang festgetretener Kuhscheiße saugen gierig die Flüssigkeit in sich auf, werden weich und weicher, zerfließen in braunen Schlamm, der die Gassen vorwärts kriecht, ohne Plan und Ziel, außer vielleicht zwischen den nackten Zehen der unzähligen Pilger hervor zu quellen, und aus Schlendern wird Schlittern. Eine metafüßische Erfahrung, wenn dieser Scherz erlaubt sei.
Da es prinzipiell keine Gasse gibt, die zu eng wäre, um mit einem Moped bei höchster Geschwindigkeit hindurch zu brausen, schrillen die gewohnten tödlich-atomaren Hupenschreie von links und rechts, von vorne und von hinten, um wiederum von den Kühen geflissentlich ignoriert zu werden, so dass so mancher Pilot mit dem Hinterrad auf der dünnflüssigen Kacke ausgleitet. So manche nordindische Schönheit hat nun ihrerseits Gelegenheit, Grazie beim Rettungssprung aus dem Damensitz unter Beweis zu stellen, während der wagemutige Lenker an das pralle Hinterteil eines viermagigen Blumenvertilgers rumpelbummst.
Rein musikalisch stand die Nürnberger Veranstaltung der südasiatischen in Nichts nach. Die stadtbekannte Radau-Band „Jet Legs“ befüllte den Klangraum, ganz gekonnt live schraddelnd, vermutlich die neue Single-Auskopplung, mit vorne drauf: „Fool yourself“ und auf der Rückseite gleich zwei Kracher: „Devil in my head“ und „Hey you!“ – und wie auch immer sie daherkamen, so schlimm können deutsche Steuerzahler gar nicht aussehen, wie die halbnackten Derwische am Ganga. Anständiger Rock'n'Roll, das ist das, beim Plattenkauf garantiert eine ordentliche Portion gutes Karma inklusive, und wer genau aufgepasst hat, wertschätzt schon seit Jahren die ganz hervorragenden Jet-Lag-Sticker auf den Klos der Nürnberger Vergnügungseinrichtungen wie dem Komm oder dem Palmengarten. Wenn nicht: das nächste Mal Augen auf beim Wasserlauf!
Auch das Zusammenleben der Menschen, beispielsweise zweier so liebevoller Gatten wie Egers und seiner Carmen, ist Thema, ein ganz zentrales sogar, weil direkt zur Klimax der Show aufs Tablett gehievt, gleich zu Beginn des zweiten Vorlesungsabschnitts. Man möchte schon fast davon sprechen, dass der multilateral begabte wahlfürther Geisteskoloss sich aufmacht, die hohe Kunst der Familientherapie zu revolutionieren. Dringend notwendig wäre es ja, denn seit John F. Kennedy's großem Ehe-Dekonstruktionsprogramm, das leider im Mondschatten des Apollo-Programms etwas unbemerkter blieb, ist auf diesem Gebiet keinerlei Fortschritt gemacht worden.
Die gute Gattin des Maestros ist dabei wieder einmal angezogen wie ein böser Finger, und Matthias E. erfasst messerscharf die globalen Zusammenhänge, denn irgendwo müssen sie landen, die Altkleider, die wir brav in die Altkleidersammelkisten werfen, und weil im ewigen Strudel des Lebens nichts verloren geht und nichts verziehen wird, stehen sie plötzlich wieder vor uns, die grauenvollsten Klamotten, die je eine Epoche der geistigen Umnachtung hervorbrachte, so grauenvoll, dass nicht einmal die kastenlosen Leichenzerkleinerungs-Paria an den hinduistischen Verbrennungsplätzen sie auf Arbeit tragen würden.
Wir erfahren, dass Madame aller Erwartung widersprechend früher sogar so etwas wie einer geregelten Arbeit nachging, im Hugendubel nämlich, aber freilich im Lager, weil völlig ungeeignet im Verkauf, wegen Pusteln oder Geruch oder so. Dann: Hugendubel zu, Carmen arbeitslos. Es bleibt nichts als Hartz 4, und das reicht maximal für ein langes Wochenende, wenn sich Egers ordentlich einen hinter die Binde kippen will. Mehr ist da einfach nicht drin. Selber zu arbeiten macht für ihn keinen Sinn, er ist sowohl zu hoch qualifiziert als auch zu gutaussehend, um für 6 Euro 50 vierzehn Stunden am Tag Steinplatten beim Landschaftsarchitekten zu schleppen. Wenngleich gerade solche Arbeiten zumindest den Berichterstatter sehr glücklich machen können. Welchen Ausweg gäbe es denn da überhaupt noch? Vielleicht Schlangen beschwören oder aus Totenschädeln die Vergangenheit lesen? Oder einfach herumhängen, mit dem Gruber unter dem Banyanbaum sitzen und das Scheißwunder von Gruberschen Hund bewundern? Über die Ausschweifung, die dann folgte, möchte man gar nicht viel Worte verlieren – nur so viel: Carmen ist eine Frau, Gruber hat Ganzkörper-Schuppenflechte, maximale Sexualnot - und eine stattliche Beamtenrente. Immerhin lernen wir fundamental nützliches Wissen: den Begriff Hans-Albers-Kuss war bis vor Kurzem in ganz Indien unbekannt, doch seit Dienstag Abend ist alles anders und der Ganges füllt sich derzeit rasch mit Sperma, das sich auf Carmens Zunge mit den Cornflakes-artigen Hautschuppen des Gruberschen Schw… nein, hier muss jede Nacherzählung verstummen, hier muss man Ohrenzeuge gewesen sein. Alle Hochachtung jedenfalls, Frau Schulz, Sie haben versautes Neuland betreten, und das will im Jahre Sex nach Charlotte Roche etwas heißen.
Und während hinter der Bühne Martin Puntigam noch schnell den Vorschuss auf seine Gage in Carmens Geschlechtsorgane steckt, stellt sich El Mago Masin, ausgerechnet (man bemerke den Gebrauch ausgerechnet des Wortes „ausgerechnet“) am Abend seines eigenen 15-jährigen Bühnenjubiläums, dem jetzt sexuell maximal angespannten Publikum, welches mit triefenden Höschen und prall aufgepumpten Penissen unruhig über die Sitzflächen schabt – nicht wirklich die einfachste Aufgabe, die wir kennen, sondern eher vergleichbar mit dem Versuch, auf einem indischen Fernbahnhof die Anzeige zu Bahnsteig und Abfahrtzeit des ersehnten Zuges aus einem fehlerhaften Sanskrit ins Deutsche zu übertragen, während einem an jedem Hosenbein gleichzeitig drei arm- und beinlose Bettler auf Rollbrettern mit den Zähnen zerren und der Bahnhofsvorsteher mit seinem Bahnhofsvorsteherknüppel eine Horde Strauchdiebe davon abhält, die Koffer zu vierteilen und sämtliche Gepäckpartikel durch die omnipräsenten knietiefen Mülldünen zu schleifen.
El Mago meistert die Herausforderung, er wirkt wie eine Schale dampfenden Chais – köstlich frisch gleichwie erfrischend, alle Unbilden dieser Welt mit einem Streich des Fliegenwedels in alle Winde zerstreuend. Bei immerhin 444 heiligen Windrichtungen eine Heldentat, die alles andere als dadurch geschmälert wird, dass die Technik etwas hakt, während E.M.M. vom Tupaware-Dildo säuselt. Der tote Fuchs im Regen gefällt mir natürlich verwandtschaftstechnisch überhaupt nicht, aber dafür kann der Barde mit den verlausten Zotteln und den miesen Zoten selbstverständlich nicht im Mindesten. Ahahahaha.
Über die Stadtgrenze hergewagt, jung, schön und talentiert – Natalie Deligt beschenkt das derer absolut unwürdige Publikum mit ihrer filigran ziselierten Prosa. Ein Bewerbungsschreiben bringt sie zum Vortrage, beim Ministerium zur Pflege von Heimat, Anstandsverwahrlosung und Psychosomatik im Kompetenzteam Ignoranz. Wie immer komplex, anspruchsvoll und so feinsinnig, dass Deligts Text nicht mit Brüllen und Schenkelschmettern rezipiert werden darf, sondern mit heiterem Nicken und intellektueller Erhebung. Das „Mission Statement“ der Firma Monsanto, welche Deligt vorträgt, ist angesichts der menschenverachtenden Verbrechen dieser Oberarschloch-Firma pure Satire, und der Dichterin kann dafür kaum genug gedankt werden.
Burkhard Berings zweites Erscheinen ist mit einer gewissen Spannung verbunden, ob denn der Künstler nicht längst den Schauplatz dieser nie zu bewältigenden Ereignisse verlassen habe. Er deliriert, faselt in Reimen, dichtet wie besoffen, ein Rapper, der jeglichen Rhythmus und alle Polyphonik als durchaus überflüssig begriffen hat – kurze Eindrücke aus dem Miljöh, typisch Berlin, schon alleine deswegen lustig, hahaha, und weil der Bering so 'nen lustigen Berliner Dialekt oder Akzent oder so spricht, und dann driftet das Ding ab, in unterirdische Kacka-Blödelei, mit viel gegröhlter Scheiße, jaulenden Hundehaufen – dem Puppenspiel und des Mannes Schlagfertigkeit sei alle Ehre und Lobpreisung, zum koprophilen Inhalt jedoch kann zumindest ich nichts weiteres hinzufügen als das, was Bering schon selbst sagt: „shit happens“.
Im Interview mit Bering geht Egersdörfer dem Thema nach, das ihn stets umtreibt, die Eltern, die Familie. Bering gibt ein paar Einblicke in die Brutstätte, welcher er entschlüpft und die erbaut ward von einer nicht-häkelnden Mutter und einem Verse schmiedenden Vater, die beide des Sohnes Treiben offenbar wohlwollend begleiten. Ein in jeder Hinsicht versöhnlicher Abschluss, der uns hoffnungsfroh stimmt, dass der Bursche noch zu einem respektablen Poeten des Humoresken heranreifen mag.
Global betrachtet beweist, so meine ganz bescheidene Einschätzung, das bunte Konglomerat, dass es eben doch weitaus mehr Themen gibt, aus denen sich der witzige Saft der Erkenntnis pressen lässt, als bloß Hundekot und Eheleben. Allen voran der Gastgeber demonstrierte es uns, indem er sich in einer überaus tragikomischen Wehmut über nie mehr wiederkehrende kindliche Zündelei verlor.
Doch nun naht auch schon die Spitze des Abends, und während auch der indische Zirkus endgültig implodiert und sich selbst in tausenderlei privater Zeremonien desintegriert, quasi in der trockenen Luft des Abends versickert, kulminiert das abendländische Treiben wie in einem Brennglas innert weniger 20 Sekunden, die es braucht, um den Vogel abzuschießen: der Moment des – Obacht! - gespielten Witzes ist gekommen. Wieder mit allem drum und dran: Blasen, Ficken, Bumsen, von vorne und von hinten und einer halbierten Leiche neben der Bahnlinie. Ein wahrhaft würdiger Abschluss – was soll man da noch sagen? Außer vielleicht: es wurde definitiv an der Transzendenz gekratzt, hier wie dort: am heiligen Ganges wie im altehrwürdigen Gemäuer der früheren pädagogischen Hochschule zu Nürnberg. Es fällt schwer zu glauben, dass irgendjemand die Warterei aushält, die zwischen dem Jetzt und der nächsten Show ausgestanden sein will, wie eine Bahnfahrt zwischen Kanpur und Jodhpur.
Das Datum jedenfalls steht fest: 8. April 2014, same time – same place. Und wer nicht total verkommen und endgültig verroht ist, wird sich einfinden, erneut die tausendköpfige Brillanz des Geistes zu feiern mit einem - um so miserabler rasierten, als der Haarwuchs auf seinem Kopf sich immer bescheidener ausnimmt - Obersupermeister M.K.F. Egersdörfer und seiner wundervoll buckligen Verwandtschaft.