Künstlerhaus im KunstKulturQuartier - Festsaal
Abendkasse: 16.00 € / ermäßigt: 10.00 €
VVK: 13.00 € / ermäßigt: 8.00 €
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Der arme Hosea Ratschiller ist krank und kann nicht kommen, weil er eine Durchfallallergie hat.
Immun gegen alles und ansteckend wie Lachen, springt er herein in die entstandene Lücke und den Festsaal morgen:
Unser GYMMICK! Und das mit Behinderung! Seimernedbäiss!
Moses Wolff ist gebürtiger Münchner und nach eigenen Angaben weitgehend kinderlos. Er schrieb in den späten Siebzigern schmutzige Kolumnen für Peter Mosleitners interessantes Magazin, die aber leider nie gedruckt wurden. Seitdem lebt er zurückgezogen in der Münchner Innenstadt.
…In seinem Programm zelebriert der Fürther das Fabulieren, das Auswalzen von bisweilen irrsinnigen Geschichten mit verrückten Ideen, mit immer noch skurrileren Wendungen und maßlosen Übertreibungen. Griesgrämig bis wütend, derb im Ausdruck und gerne im Ordinären wühlend, gibt er auf der Bühne in deftigem Fränkisch den polternden Proleten – was bei einem Teil des Publikums tiefste Lachfalten, bei manchen Zuschauern aber auch Stirnrunzeln verursachte. Ein Auftritt, der zweifelsohne polarisierte… (Fränkische Nachrichten)
TätterätätäÄ!
In seiner großartigen Umsicht hat der Vater vom Heiland der Comedy Lounge ein neues Kindlein in die Krippe gelegt.
Sein Name ist Philipp Moll, sein Beruf ist Praktikant in der Lounge.
Des Vögleins Federn sind gestutzt. Stampfende Beats erbeben die Tanzfläche und lassen die fanatischen Füße schreiend kreischen "will mich nicht bewegen - muss mich bewegen!" Schwitzen - Extase - Lust! In genau dieser Reihenfolge. In genau dieser Intensität. Maskuline Musikorgasmen beapen ins Ohr. Ein Gefühlsrausch durchs dichte digitale Disco Dunkel, erhellt von Lichtbrechungen an Spiegeln und Menschen, die Schönheit in Erotik verwandeln.
Natalie de Ligt ist ein possierliches und äußerst bescheidenes Wesen, das ihren Scheffel am liebsten unter der Erdoberfläche vergräbt. Dabei kommen ab und an erstaunliche Gedanken aus ihr heraus, so dass ein Zerren auf die Bühne berechtigt ist und auch gegen ihren Willen geschehen kann und darf. „Der Frau ihr Welt“ handelt von der Welt und allen Lebe- und Totewesen, die sich darin befinden oder eben nur vom Wind bewegt werden. Nicht nur die Frau selbst, auch das Publikum muss mit allem rechnen – auch mit schonungslosen Performances oder beschämender Langeweile. Alles zu seiner Zeit.
Carmen Schulz, die nur mit einer Geburtszange auf diese Welt gezwungen werden konnte, verlebte eine traurige und schmerzhafte Kindheit in einer Klosterschule. Dort hauste sie von den Nonnen geduldet im Klosterkeller, da ihre leiblichen Eltern den Anblick ihrer Tochter nicht länger im eigenen Hause ertragen konnten. O-Ton Mutter: „Schon als ich sie das erste Mal sah, war mir klar, das ich dieses Kind niemals lieben werden kann.“
Eine großartige Wende erfuhr ihr Leben erst, als sie vor 9 Jahren den Kabarettisten Matthias Egersdörfer kennenlernte und die beiden schon bald ein Paar wurden. Bei ihm findet sie alles, was sie zuvor nie bekommen hat: Einen warmen Schlafplatz und Aufrichtigkeit. O-Ton Matthias: Jeder Mensch hat ein Recht darauf, dass man offen und ehrlich mit ihm umgeht. Und wenn ich zur Carmen sage, dass sie nicht gerade mit Schönheit und Intelligenz gesegnet ist, dann meine ich es ja nur gut mit ihr. Matthias zu Liebe begleitet Carmen ihn immer wieder auf die Bühne, wo die beiden aus ihrem Leben plaudern. O-Ton Carmen: „Freude empfinde ich dabei nicht, ich weiß auch gar nicht, ob ich schon jemals Freude in meinem Leben empfunden habe, aber für ihn würde ich alles machen, was er von mir verlangt, wenn es ihn nur glücklich macht.“ Und wenn man sie und ihren geschunden Körper sieht, ist man sich plötzlich nicht mehr sicher, ob ihr nicht damals mit einer Abtreibung vieles erspart geblieben wäre.
Auch wenn Amnesty International und der WWF immer wieder versuchen die gemeinsame Shows zu verbieten und Carmen unter ständiger psychatrischer Betreuung stehen, zwingt Matthias Egersdörfer sie immer wieder zu Auftritten in ganz Deutschland.
Wenn ich am Fluss entlang radele, allein zwischen Aue und Gebüsch, die tiefstehende Sonne leckt an letzten Nebelschwaden und eine eingebildete Viertelstunde lang fliegt ein Eichelhäher nur eine Armeslänge neben mir her und dreht seine blau-weiß gesprenkelten Landeklappen aufs vorteilhafteste ins Licht - dann ist das tausend Mal schöner als alles Krachbumms-Gebrüll und Kreischerei-Gezappel in den Theatern dieser Welt.
Und indem mir ein wohliger Schauder des Glücks an meinem Rückgrat entlang humpelt, frage ich mich: gibt es auch nur etwas annähernd ebenso Schönes von Menschen gemacht?
Ja, lautet die Antwort, so etwas gibt es, mitten in Nürnberg, konkret: im großen Festsaal des Komm, mitten in der herrlichen Vorweihnachtszeit, am 10. Dezember nämlich: ein Abend der Gesegneten war es nämlich, der sich da erhob, möchte ich sagen, wirklich rein zufällig koinzident mit der heiligmäßigen Jahreszeit, und das Volk war herbei geströmt, in die warme Krippe, die Matthias Egersdörfer und seine Artverwandten liebevoll genestelt und gebastelt hatten.
In keinem Augenblick konnte auch nur der geringste Zweifel sein schiefäugiges Haupt erheben, weshalb die dort oben standen, im Licht, während wir anderen unten saßen, im Dunkel. Ein Dunkel übrigens, welches ganz virtuos von einem Herrn Techniker mit Namen Speedy verwaltet wurde. Auf den beiden Stühlen neben mir saßen zwei Unsichtbare, die sich als sehr weich und angenehm für das Sitzorgan erwiesen, als sich zwei Damen obenauf setzten und jene stummen Wesen zum Schweigen brachten. Beginn 20 Uhr.
M. Klaus Friedr. Egersdörfer hat es endlich – vermutlich als allerletzter – selbst begriffen: sein Glück und sein Erfolg im Leben ist zum heutigen Tage schon so umfangreich und schwindelerregend, dass jede Bescheidenheit seinerseits nur noch erbärmlicher Heuchelei gleich käme. Eine langhaarige Schönheit zu sein, die ihren gewaltigen Verstand durch dümmliches Grinsen zu kompensieren sucht, wird ihn kaum noch jemand bezichtigen können. Sein Schritt von der zermürbenden Entgegennahme nicht aufhören wollenden Ehrungen geschwollen, wuchtet er sich kurz hinab ins Parkett, um praktisch keine fünfzehn Beleidigungen später wieder knarzend die Bühne zu erklimmen. Goldene Dukaten klimpern in seinen Frackschößen, selbst und ganz besonders wenn er furzt.
Das Publikum allerdings gibt heutzutage kaum noch was her, abgesehen von Weihnachtseinkaufversagern, deren Verstocktheit der Meister nur mühsam aufbohrt. Die finale Diagnose: „Schwachmaten“. Und zum Ausgleich nimmt er uns mit zu Besuch nach Bonn, in die ehemalige Hauptstadt eines untergegangenen Reiches, von welchem allerhöchstens noch die ältesten Weiber raunen, um Säuglingen das Entsetzen zu lehren. Der Künstler Egersdörfer zeichnet ein Bild dieser Stadt, das deren wesentliche Züge trägt: eine Museums-U-Bahn und die Zentrale der italienischen Systemgastronomie. Ab diesem Punkt möchte man sich ihm anschließen, sich auf eine Wanderung machen, von Bonn in alle Welt, wo immer es gelten mag, Sklaven aus den Fütterfabriken dumpfer Nudelfresserhorden zu befreien, ein Kreuzzug für das Wahre, Gute und Freie, der Meister an der Spitze, verkehrt herum auf dem Fahrrad seines seligen Vaters sitzend („Radsportler wie Willy Arend (1876–1964), Thaddäus Robl (1877–1910) und Anton Huber (1878–1961) wurden Weltmeister auf Panther-Rädern“, Zitat aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Panther_Fahrradwerke_AG ). Angeprangert wird, was angeprangert werden muss – insofern wir alle nicht mehr dieselben sind, danach.
M.E. geht ab, Bird „Bernd“ Berlin geht auf. Hoppelt gazellenfüßig auf die Bühne, zwitschert „Den Sternen so nah!“ zum elektronischen Pling-Plong, quietscht seine Verkündigung wie ein chinesisches Plastikspielzeug mit Brusthaaren und Hängebauch. Weitestgehend nackt, mit Glitzer über und über angetan, mit dem Herz der Liebe in den Pelz rasiert – eine singende Anzeigetafel im Bahnhof des Irrwitzes. Sehr, sehr schön!
Danach ist Moll der erste unter den Artverwandten, der antritt, uns zu beglücken. Moll, der Bürger, der noch gleicher als gleich ist. Moll, der Sprach-Artist, der Erkunder bisher totaliter unerschlossener Wortstämme und -völker. Wie bitte soll man da ruhig bleiben und gelassen, wenn einer ohne zu zögern davon spricht, er sei „in sich selbst eingekehrt“, ihm „werde trüb“ und er leide unter der „zimtenen Tyrannei der Adventszeit“? Da muss man doch zappelig werden und hüpfen und gurren, so aufregend ist das! Von dem guten Ritschie, der den Totschlag nie bös meint, aber immer öfters fort muss, können wir alle niemals genug nicht lernen, diesem Quell der Erkenntnis aus Lauflinks, gleich bei der an eine kranke Fichte genagelten Schuhschachtel, in der aufzuwachsen offenkundig zumindest einem Moll überhaupt nicht geschadet hat. Großartig, Philipp Balthasar, ganz großartig, und wir fordern gierig ein nächstes Buch, das hoffentlich erneut ganz viel Korrespondenz von Dir und mit Dir und wegen Dir und über Dich versammelt.
Obwohl auch er an der Scheißerei-Allergie leidet, springt anschließend Gymmick ein für einen Gast, der auf Grund desselben Leidens die Anreise nicht lebend zur Ankunft gebracht hätte. Gymmick – der Kabarettist vom Dienst? Ja – und Welten mehr. Auch der naheliegende Rio Reiser-Vergleich erfasst nur die halbe Wahrheit, denn selbst wenn aus Gymmicks Stimme gewisse Ähnlichkeiten mit dem „König von Deutschland“ hervorklingen, dann geht jener doch da weiter, wo dieser aus Todesgründen eine Rast einlegte. Wir sehen mit großer Freude, dass Gymmick ein singuläres Niveau seiner Professionalität erreicht hat, er steckt einen Kaltstart genauso souverän weg wie ein genäschiges Schnösel-Publikum oder die wahrhaft hinterfotzigen Fragen des größten Interview-Führers der Stadt und des Erdkreises, Matthias „Geh weg, Du schwitzt“ Egersdörfer.
Gymmick strahlt – um im Bild zu bleiben – tausendjährige Reichsbühnenerfahrung aus, seine überbordende Musikalität, die eben das Gemeinsame ist, für das er zurecht mit Rio Reiser auf denselben Sockel gestellt wird, versagt nicht, weil sie überhaupt nicht versagen kann. Sie ist ein Teil der physikalischer Wesenheit dieses begnadeten Barden. Wir Kernwaffenfreunde sprechen ja gerne von der kritischen Masse, und ich denke, Tobias „Ich bewege mich praktisch nur auf der Bühne“ Hackers Material ist längst überkritisch. Eher schon so reichhaltig, dass ich mir durchaus vorstellen könnte, wie eine geschickte Verkürzung, der Verzicht auf eine redundante Strophe hier und einen ölfilmflachen Kalauer da, eine Konzentration auf die strahlendsten der Pointen dem Ganzen noch zu mehr Kongruenz und Prägnanz verhülfe.
Wiederum besäuselt alsbald der Berliner Vogel eine obszöne Sternennähe, wie eine monströse Putte, wie ein katholischer Alptraum in 5-facher Überlebensgröße. Ein letzter Schwung mit der Hüfte, dann plötzlich steht ein sanft blickender Münchner vor uns, ganz ohne Furcht, ein lächelnder Herr mit schwarzer Brille, meliertem Haar und typisch bayrischem dunkelblauem Matrosenpullover. Die erste Assoziation fordert, dass Moses Wolff bei Helge Schneider Einzelunterricht hatte, doch die These lässt sich nicht lange halten. Der Weihnachtsmann am Fenster, die Betrunkene am Telefon, der junge Bewerber im Schwimm-KZ – aus Moses Wolff sprechen Dutzende Personen mit einer solch lupenreinen Authentizität, dass der wie immer überaus patente Herr Fürbringer vom Fleck weg den Begriff „Inkarnations-Houdini“ prägt. Wolff ist die Heiterkeit in Person, formvollendet und absolut stimmsicher.
Noch im Nachhall dieses grandiosen Auftritts entlässt uns der große Conferencier und Master of Spektakel in eine kurze Zäsur, um den Bedürfnissen des Organischen genüge zu tun. Natürlich nicht, ohne uns an seiner Allweisheit teilhaftig werden zu lassen, indem er Tips gibt, wie man sich mit keinem anderem Hilfsmittel als einer Zunge und einem Toilettensitz wunderbare Fieberschübe ergaunern kann.
Die Pause endet und Meister „Fass mich nicht an!“ Egersdörfer entert standesgemäß das Schiff der Show. Routiniert leiht er sich aus seinem eigenen aktuellen Programm eine Nummer und kredenzt sie in ausufernder, ganz gewaltiger und sorgfältigst durchgebratener Form.
Wenn es eines Beweises bedürfte, dass das gute alte Sprichwort, wonach nicht jedes ausgefallene Haar für jeweils einen guten Einfall im Kopf des Glatzköpfigen gestorben sei, wahr ist, so kann Egers dafür gerade stehen, denn er ist die Ausnahme, welche eben diese Regel aufs trefflichste bestätigt. Caprese?
Ein Bademantel spielt in dieser Glanznummer die zentrale Rolle, mal blütenweiß, mal mit braunen Kackstreifen, mal mit gelben Pisseflecken verziert, und auch das ewiglich perennierende Thema der versalzenen Fürther Warmwasserbadeanstalt verzückt uns wie am ersten Tag. Niemand, der sich da nicht sofort in den Skorpion verliebt hätte, den der Matthias E. nachgerade fahrlässig beim Liebesspiele störte. Und niemand, der nicht den Tsatsiki-Gestank deutlichst in der Nase gehabt hätte, den der ohnmächtige Fettsack verströmte, welchen Mund-zu-Mund zu beatmen der Held schlechterdings sich nicht verweigern konnte. Wobei quasi im Vorübergehen ein ca. 400 Jahre alter Spruch exhumiert wurde, der im östlichen Pegnitztal seit vermutlich dem 30-jährigen Krieg oder noch früher unbemerkt überdauert hatte, nämlich vom Kürassier, der aus dem After riecht. Auch eine kleine Homage an den Kollegen Bembers bildete ich mir ein, hierbei detektieren zu dürfen. Bloß halt konsequent und mit mächtiger Pracht vom Egers zum Höhepunkt gebracht (Bembers kotzt in der Sauna bspw. am Schluss von hier: http://www.youtube.com/watch?v=ZN7OqF5X0fY).
Ganz klassisch: Egers greift ein triviales Thema auf, und sei es nur sein eigenes, lüpft es mit schier übermenschlicher Kraft (die irgendwo in diesem großen Kopf verborgen sein muss) empor und hin zur totalen Veredelungsvollendung – eine Exponentialfunktion in Menschengestalt, ein Bonaparte des Deliriums, der „wider jedes bessere Wissen angreift und gewinnt“, wie er in aller Bescheidenheit sich selbst attestiert. Der aufgeblasene Angeber, der.
Doch lassen wir das. Beschäftigen wir uns lieber mit der ganz überaus bezaubernden Frau De Ligt, die einen offenbar heiß ersehnten Ausgang aus ihrem Kerker nutzen will, um die Welt aufzurütteln. Ganz bezaubernd formuliert sie das Lied ihrer Klage, unvergleichlich köstlich gewürzt mit genau dem richtigen Maß Sentimentalität und Semipermeabilität, Fremdwortverhau und Jenseitsschau, halluzinogener Bettmystik und Satzgestrüpp. Nicht nur einen Kavalier im Publikum müssen die Nächstsitzenden mit Gewalt zurück auf das Gestühl zerren, denn der Wunsch, diesem zarten Wesen gegen diesen grausamen Lindwurm von Ehemann beizustehen, wird gar übermächtig. Der Wunsch, dieser wandelnden Zumutung den eklen Brodem mittels eines Putzfeudels, den keine Putzkraft mehr den alten Nürnberger Bahnhofstoilettenschüsseln zugemutet hätte, zurück in den aufgeblähten Rachen zu stopfen. Nein! Was diese Frau leiden muss, ist kaum in Worte zu fassen, und wenn, dann definitiv nur in eben jene, die sie fand! Wir hoffen das allerbeste und schließen diese zierliche Heldin in unsere täglichen Verrichtungen zur Huldigung des Dadaismus mit ein.
Wieder auftaucht das Nummern-Girl, strahlend wie ein liebenswertes Atom, gewandet in nicht viel mehr als unwahrscheinlich sexy gelbe Strümpfe. Zehn von neun Frauen im Publikum greifen hektisch zum Riechsalz, wenn Bird Berlin zum wiederholten Male anhebt zu trillern und zu tirilieren.
Und dann geschieht etwas seltsames, etwas, mit dem man nach der Pause gar nicht mehr gerechnet hatte. Doch einem der Großmeister muss da eine Zeitkapsel aus der Rocktasche gepurzelt sein, welche promptens auf den Boden schlug und zerbrach. Ein kleiner Scheitan schlüpfte daraus hervor, ein unsichtbarer freilich, der sich hurtig den Staub der Nachkriegsjahre vom Ärmel klopfte und in einen schmächtigen Körper fuhr, der hinter dem Rednerpult bereits gehorsam Aufstellung genommen hatte. Durch die Gestalt, welche von einer Frisur oben abgedichtet wird, welche so aussieht, als hätte der Friseur den Wust schnurstracks mitsamt der Schiebermütze geschnitzelt, - durch diese Gestalt also, die zudem unterhalb der Nase an einer merkwürdigen Wollwucherung leidet, die sogar ein frisch geschlüpftes Küken noch verunstaltet hätte, durch sie hindurch zuckt ein frischer Blitz Leben, sie öffnet den Mund, und daraus beginnen Heinz Ehrhards und Theo Lingens Stimmen zugleich Reime vorzutragen.
Balladen blubbern da sogar hervor, in altväterlichem Stil, der schon in den 1960ern zwar albern, aber nicht komisch war, angereichert mit Vokabeln aus einer möglicher Weise so zu bezeichnenden Jugendsprache, bloß eben dass man sich instinktiv wundert, woher das junge Bürschlein, in das die Geister sämtlicher toter Witzbolde des Wirtschaftswunders gefahren sind, diese Ausdrücke kennt, die außer Mode waren, als er, der Bub, selbst noch flüssig war. Mein lieber Reichsbadewanneninspektor – da hätte sogar meine Mutter von der legendären Bartwickelmaschine gesprochen, die im Keller klappere, wenn Ihr versteht, was ich meine!
Darf ich noch erwähnen, dass Claus Caraut, so der überaus kunstvolle Kunstname des Poeten, nicht einmal davor zurückschreckt, seine eigenen Pointen zu erklären? Ein Büchlein, das er im Gepäck hat, vereinigt wohl einen Großteil seines lyrischen Werkes und irritiert mit einer ganz mystischen Haptik des Einbandes. Doch eine zündende Idee suchen zumindest wir vergebens darin.
Und wieder Birdy Bird Berlini, die singende Anzeigetafel. Wälzte er sich vorhin noch auf dem Boden, wälzt er sich jetzt auf dem Sofa, schwingt das Bein, zittert mit den opulenten Busen. Fast zu kurz kommt mir sein Erscheinen vor, beinahe zu schnell sitzt er wieder auf dem Sofa und beleuchtet das Remmidemmi auf der Bühne mit einem huldvollen Lächeln.
Noch einmal der famose Moses (sorry für den Kalauer, aber ich darf das), mit drei ganz fulminanten Texten, dargeboten vom Hörspielvirtuosen-Ensemble, das irgendwie in diesem Manne drinnen Platz gefunden haben muss und oben aus ihm herausspricht, als sei er eine Rundfunkanstalt für sich allein. Kaum andeuten muss ich hoffentlich, dass eine Einladung zu Radio Bernstein im März 2014 unmittelbar zu Beginn des Hinterhers ausgesprochen und angenommen wurde. Wir freuen uns jetzt schon!
Auch im Interview erweist sich Wolff der Situation gewachsen und hat demonstrativ keine Ahnung davon, dass in Nürnberg die Besatzung Frankens durch bayerisch-münchner Autokraten und in der Folge der Raub sämtlicher Kulturgüter bisweilen nicht ausschließlich positiv gesehen werden.
Als Sahnehäubchen auf der Leberknödelsuppe finalisiert Gymmick, der – auch wenn das Publikum den Witz womöglich nicht zu einhundert Prozent verstand – sein wunderbares Anti-Nürnberg-Lied schmettert, ganz souverän natürlich und natürlich beflügelt vom Stolz eines Kulturpreisträgers der von ihm niedergemachten Stadt.
Krönender Schaum auf dem güldenen Becher, wie jeder Kenner selbstverständlich längst vermuten wird, zum Abschluss der der gespielte Witz, diesmal in doppelter Entfaltung, denn die ganz bezirzend-huldvolle Carmen alias Claudia Schulz erscheint wie die Morgensonne über dem finsteren Tal. Tätowieren hat sie sich lassen, eine Muschel ans Ohr und einen Tampon an den Oberschenkel, oder auch andersherum, und den Bleistift sucht irgendjemand bis heute noch. Standesgemäß und unfassbar unter allem, was auch nur annähernd recht ist. Danke!
Ein Mörderprogramm demnach, diesmal ganz brillant angeordnet, aufgeführt, mitgemacht, durchgelacht und aufgeweicht. Erschöpft und glücklich sammelt das Publikum seine achtzehn Groschen Verstand ein und taumelt erkenntnissatt zurück in seine Heimstätten, in welche hinterwäldlerischen Felsen auch immer diese finsteren Höhlen gebohrt sein mögen.
Die frohe Botschaft ganz klar: es geht weiter, das ist sicher, denn die einzige Bombe, die einschlug, war Moses Wolff und seine Nummer als Inder mit Handtuch-Turban und Nano-Sitar. Die Stadt blieb stehen, auch wenn sich die Amerikaner richtig Mühe gegeben und klammheimlich einen Blindgänger hinter dem Bahnhof versteckt hatten.
Das nächste Mal im Jänner, wenn wir Meister E. erneut mosern und klagen hören wollen: „Leut sind heut wieder da, da sacht ma: naja.“
O wie schön ist es, naja zu sein!