Künstlerhaus im KunstKulturQuartier - Festsaal
Abendkasse: 16.00 € / ermäßigt: 10.00 €
VVK: 13.00 € / ermäßigt: 8.00 €
Der Februar, der Wissmann unter den Monaten, macht sein Hintertürchen auf und heraus flutscht frisch geölt und feinstaubfix unser lieber Matthias von dem Fürth.
Er wird uns einen kurzen Blick in sein Innerstes gewähren und, weil ihn das so anstrengt, wird er sich ausgebrannt hinsetzen und zuschauen, was seine Gäste so machen, die wo da heißen:
Geb. 1971 in der DDR, Überlebender der Deutschen Wiedervereinigung, beehrt uns mit einem Besuch. Er ist Träger des Salzburger Stiers (2011) und vieler anderer Preise, Komiker bei jedem Wetter, Autor und Gründer der Brauseboys. Sein aktuelles Soloprogramm heißt „mach doch’n Foto davon“ und er kann Musik und ist bissig und sogar sehr lustig. Geschmacksgrenze fuck off! Ausserdem hat er eine Brille, aber das macht nichts.
Zweiter Stargast des Abends ist unser aller Gymmick, ehrenwerter Sohn dieser schönen Stadt.
Schwer zu sagen, welches seiner Talente er uns um die Ohren hauen wird. Schließlich zeichnet er nicht nur großartige Cartoons, sondern er ist jetzt kürzlich mit `Ton Steine Scherben´ getourt und ist - man kann es nicht anders sagen - die Inkarnation von Rio Reiser. Viele andere Menschen hausen als Mietnomaden in ihm. Sicher haben einige davon auch an diesem Dienstag Zeit und tummeln sich auf der Bühne des Festsaals.
Und sonst? Naja, die Schneeglöcklein sind noch nicht ganz reif. Deshalb ernährt sich unser gefiederter Freund Bird Berlin von Liebe und kleinen Termitenlarven, die ihm Ahmet Iscitürk aus seiner Heimat Gostenhof mitgebracht und liebevoll mit Ambrosia flambiert hat.
Don Philipp Moll spricht den Segen dazu und die großformatigen, mit Spotze und Griebenschmalz auf Pappkarton applizierten Sprachbilder werden unsere Herzen weiten.
Die ebenso huldvolle wie naseweise Carmen häkelt einen Schlüppi für ihren Egers aus den Insektenkokons. LIVE!
Das alles wird schlimm, furchtbar, unerträglich und hat mit Comedy einen Scheiss zu tun. Manche Dinge sind eben doch noch sicher.
In Nürnberg februarte und faschingte es in sinnlosem Durcheinander, als Matthias C.F. Egerdsörfer das Volk rief und anermahnte, zu kommen ins Komm, und siehe, sie kamen. Der Saal wohl gefüllt, die Leute vollgestopft mit Krapfen, manch einer sogar mit deren dreien auf Kosten seines braven Chefs, ein Nimmersatt, der sich himself herausgebacken, mit Hiffenmark gefüllt und in Puderzucker gehüllt gehörte, wie ansonsten nur Bird Berlin. Der freilich mit Glitzersternen noch und nöcher auf seiner Körperpolstermöbellandschaft. Zwei nicht ganz so gute Nachrichten waren schnell verdaut, denn anstelle des erkrankten Nils Heinrich und des verhinderten Dichtergottes P.B. Moll, leuchtfeuerten Götz Frittrang sowie das Duo „Familien-Duo“. Spielte Frau Duo auf der Geige schon wie eine Teufelin, die auf brennendem Besen übern Lavaschlund reitet, so fuhrwerkte Herr Duo in absolut felsenfester Brillanz auf einer Art Superatom-Akkordeon, das aus seinem dicken Kabel heraus sogar singen konnte. Die Duos gewannen eine Menge Herzen an diesem Abend!
Desgleichen Götz, der Frittrang. War ich zuvor noch ein wenig bange, da ich mit einem Fäkalbad untersten Parterres rechnete, so öffnete der furiose Pointen-Tsunami des Wahlbambergers mir die dummen Augen. Das war richtig, richtig gut – kaum ein ausgelutschter Scherzhirsch, sondern alles Springinsfelde so frisch als ob noch im letzten Moment vor dem Auftritt erlegt. Götz Frittrang, dessen lustige Schuppen zwischen den Zehen angeblich schon der kleine Egers-Bub mit Begeistertheit knabberte, knallte seine schwäbischen Trümpfe mit größter Grandezza auf die Bühnenbretter, dass es schepperte und qualmte. Ein kollektiv gebrülltes „Schapotz!“ hatte sich dieser Mann redlichst verdient.
Und als wäre das noch nicht genug, haute Gymmick so ziemlich alles, was sein innerer Raketenwerfer überhaupt hergibt, heraus: traurige Lieder, lustige Lieder und – eine Predigt wie ein Pfund Wurst. Gymmick bewies mit überwältigendem Effekt nicht nur, dass er lesen kann, sondern auch, dass er seinen eigenen Text meisterlich inszenieren kann. Dass es Gymmick obendrein versteht, den Pinguin als solchen, sowie den Brillenpinguin im Besonderen fachgerecht zu rupfen, zu teeren und zu federn sowie final zu penetrieren – das war für mich die zweite großherrliche Überraschung des Artverwandtentreffens.
Meister M. Egersdörfer ging hingegen mit sich selbst hart ins Gericht: Ekel und Widerwillen überkomme ihn wegen seiner einfallslosen Verkleidung – das ewig gleiche rote Hemd, der ewig alberne Anzug, die immer wenigeren Haare über das Oberstübchen geklatscht. Immerhin hatte er sich soweit im Griff, dass er Carmen ordentlich zusammenstauchte, die sich hilflos durch die tägliche Paranoia deklinierte, mit halluziniertem Flüchtlingsansturm hie und völlig außer Kontrolle geratenen Hobby-Faschisten a.k.a. „Bürgerwehren“ da. Die endzeithaftig bezaubernde Carmen ist natürlich die richtige Furche, in der all der hetzerische Stuss, der Tag und Nacht aus den Boulevardmedien BLÖD & Co. rieselt, keimen und prächtig sprießen kann. Ein heißes Thema, das freilich gegen Matthias E. und seine Gemahlin keine Chance hatte, wenngleich die Dramaturgie etwas defragmentiert wirkte und sich gewiss mit mehr Wechseln im Dialog noch mördermäßig aufpolieren ließe.
Wie viel der Egers drauf hat, müsste er nicht explizit demonstrieren – aber zum Glück für uns tat er's trotzdem und nahm uns auf eine Reise mit, weit zurück in die Zeit, als Väter noch rückwärts durch Vororte radelten und Bernhardiner über Zäune sprangen. „Big E“s Augen leuchteten, während er den frühkindlichen Zug durch die Gemeinde in die Trommelfelle der Zuschauer ziselierte. Wie auch den schlumpfblauen Himmel über dem Mann, dessen Sohn von unten nichts als eine gewaltige Nase erblicken kann. Bierfass, Musik und Tanz blieben am Ende etwas in der Luft hängen, als sei die sentimentale Erzählung noch weiter gegangen, doch wüssten nur die Eingeweihten, wie. Wir schüttelten die Köpfe und rieben unsere Augen – das hatte nichts mit Comedy zu tun! Und war schön wie ein Märchen ganz ohne Räuber, Hexe, Wolf und Hungertod.
Nicht vergessen werden darf der feinsinnige und distinguierte Ahmet Iscitürk, der grazil jede seichte Pfütze überhüpft, die sich zwischen ihm und dem 8-lagigen Klopapier auftun, das er bei amazon bestellt. Ahmet nimmt mindestens fünf mal die nächste Stufe auf der Pointentreppe, von der wir nicht einmal die zweite erahnen können. Und entlässt uns mit einem Bild im Kopf, das Merkel und Hollande zeigt, mit verschissenen Hintern auf dem Rücken eines blütenweißen Eisbären reitend.
Und sonst? Bird „XL-Bernd“ ließ uns teilhaben an seiner elfengeborenen Lyrik. Egers sicherte die Veranstaltungstechnik zukünftiger Geschlechter, indem er die fehlerfrei an den Tonreglern kurbelnde Anja und den schlafwandlerisch exakt die Scheinwerfer rundmachenden Keks unmissverständlich anwies, sofort massenweise Nachwuchs zu zeugen. Herr Fürbringer war auf der Veranstaltung erschienen, als sei er soeben an der Seite von Jürgen Prochnow nach 76-jähriger Feindfahrt mit U-96 im Nürnberger Hafen aufgetaucht. Grund zur Freude: die nächste Show steigt am 15. März. Yeah!