Künstlerhaus im KunstKulturQuartier - Festsaal
Abendkasse: 16.00 € / ermäßigt: 10.00 €
VVK: 13.00 € / ermäßigt: 8.00 €
In den Iden des März, freies Volk von Nürnberg, ruft der Göttliche Matthias zur Versammlung:
Aus dem fernen München über die Danubia kommt geritten: Der gewitzte, bis zur Hutkrempe mit lupenreinem Schalk angefüllte, mit – zum Verlieben schönen, im Burschenantlitz frech blitzenden blauen Augen schauende, mit vielen Stimmen lesende und lachende, der – aber das bleibt unter uns – tiefgründige und sanfte Michael Sailer. Juhu!
Arkadisch schön und ergreifend und fast völlig comedyfrei, wird das Feuerbachquartett aufspielen:
Die vier Streicher (Anna Maertens / Nürnberg, Max Eisinger / München, Eugen Hubert / Russland, Lukas Kroczek / Polen) sind ein klassisches Streichquartett, das wo eigens arrangierte Popsongs interpretiert: Ganz ohne technischen Schnickschnack und Quatsch, dafür mit Hingabe und Leichtigkeit. Es ist schön, wenn Musik sich neu gewandet, es ist schön, wenn die U-Musik zur E-Musik wird und umgekehrt und hin und her und das Ganze dann zur Ü. Berraschung. Alter, leck!
Außerdem natürlich: Ganz in Purpur gewandet, Dolch und alles, der Herr Senator Philipp Moll mit dem ledernen Buche.
Die kybelische Priesterin Carmen, diesmal mit extra Perlenkette und so einem Ring zum Auflklappen mit Gift drin.
Ahmet Iscitürk, Nero Nürnbergs: Er jongliert mit original Welthölzern. Und: Auspizienflamingo Bird Berlin singt uns unsere Zukunft rosa.
Ach ja! Kaiser Egers gewährt Audienz: Die Gesandten vom Südstadtgeflüster Andreas Weber und Christian Hilgert berichten von ihrem Projekt: Nämlich dem Südstadtgefüster, ein Episodenfilm, eine Hommage an die Nürnberger Südstadt.
Die Handlung fassen sie selbst so zusammen: „ Ein Nesthocker wird flügge, ein esoterischer Philosoph begibt sich auf die Suche nach seinem Morgentee, ein Toter kommt zu spät zu seiner Geburtstagsparty und Frösche sind einfach die bessere Festtagsdekoration“…
Mitspielen tun u.a. der Andreas Leopold Schadt, ( vom Frankentatort her) und der Herr Egersdörfer und auch der Herr Moll. Sicher wie Seehofer wissen wir hinterher mehr.
Man sieht sich immer zweimal!
„Du bist wirklich die allerletzte ignorante, saublöde Saukuh. Dich hätte man einfach hinten anketten sollen, dann wär uns viel erspart geblieben.“
Abende, die mit solchen Worten beginnen, haben einen vielversprechenden Schatten, den vorauszuwerfen sie sich nicht zu schade sind. In den wenigen Zeilen, die mir für zum vollschreiben gestattet sind, versuche ich, die Beschaffenheit und (Meta-)Physik eines solchen Abends, wie zum Beispiel dieser eine da im März 2016, was der Monat war, in welchem auf Landtagsebene politische Umtriebe vonstattengingen, die wirklich gar nichts mehr mit Comedy zu tun hatten, zu ergründen.
Derohalben und weil es ja eh nix hilft, macht der Egers zum Einstieg einen auf Goebb… ich meine Höcke und plärrt etwas von Werteverfall und Islamgefahr und er lässt halt den Hassprediger raushängen. Matthias Egersdörfer, der dabei den Egers spielt, beherrscht dabei die Klaviatur des Dunkeldeutschtums wie kein anderer: er spielt ganz wunderbare Serenaden auf der dumpfen Blockflöte der Angst, begleitet nur von der Schnarrtrommel der Ignoranz. Er läuft rot an, die Halsschlagader steht hervor, sodass eine Bergziege sich da draufstellen könnte und nicht herunterfallen täte und der Speichel fliegt in kinderkopfgroßen Batzen den Leuten in die offenen Münder. Ein Egers ist natürlich nur halb so viel wert, wenn er auf der Bühne sich nicht abarbeiten kann am Unergründlichen der restmenschlichen Idiotie. Zu diesem Zweck steht ihm seine devote Bühnen-Alde und Watschenfrau Carmen bei, die unscheinbare Frau mit dem gewagten Paillettenshirt und einem Rock, der einen verbotenen Blick auf ihr Knie lenkt.
#ericrohmergefälltdas
Claudia Schulz spielt als Carmen die begeisterte Befürworterin der tollen Ideen ihres Egers und seine größte Unterstützerin. Da ihm wiederum missfällt, Beifall aus der Richtung von Leuten wie Carmen zu bekommen, kriegt sie dafür regelmäßig Androhungen körperlicher Gewalt und Aufforderungen zur Mäßigung an den blöden Kopf geworfen. Dies wird von ihr synergetisch in neue Akklamationen umgelenkt, was den Egers bis aufs Blut reizt und erneut dazu bringt, ihr den den gesamten Pschyrembel an den Hals zu wünschen. Kundige Ideenforscher könnten dies hier sicher in einem schönen und aufschlussreichen Diagramm darstellen, aber für Forschung fehlt hier die Zeit. Gottseidank. Nur so viel: Hermeneutik. Das muss langen.
Die Redundanz gegenseitiger Schützenhilfe und Impertinenz jedenfalls trägt zumal wunderbare Blüten, wenn Carmen durch vollständige Selbstverneinung und Egersbejahung ihm jegliche Grundlage enzieht, sie anzugreifen. Letztendlich macht es schließlich keine Freude, immer dem gleichen Kind eine Backpfeife zu geben. Man muss sich ja entwickeln und auch mal andere Kinder hauen, wenn mir dieses – zugegeben – etwas weithergeholte Bild behilflich sein darf. Ist dieser Punkt der totalen Selbsterniedrigung erreicht, sieht sich die, jetzt kaum noch devote, Carmen im Vorteil und schlägt rigoros zurück, indem sie, um in Wrestlersprache zu reden (kann man mal machen), den Egers an den Eiern (an seinem spießbürgerlichen Stolz) anpackt, ihn über ihren Kopf hebt (ihn auf Ungereimtheiten hinweist) und mit bloßen Händen vernichtet (intime Details aus seinem Leben ausplaudert), was natürlich ein großer Spaß ist. Das läuft meist recht ähnlich ab, ist aber immer amüsant und ermutigend. Warum, erklär ich im nächsten Absatz. Achtung, jetze:
Viele Besucher sagen: „Beim Egersdörfer ist man sich nicht sicher, ob man nun die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und weglaufen oder, starr vor Entsetzen, hockenbleiben und es sich so richtig mit Doppelkorn besorgen soll“ (Quelle: Dings). Aber das ist schon gut und richtig so. Man nennt das Kátharsis und das macht einen gesund im Kopf und das geht so: erst erkennt man sich, dann schämt man sich, dann kommt die Carmen und befreit einen. So funktioniert Theater und so funktioniert dieses Bühnenehepaar. Gut, dass wir sie haben. Alle beide.