Künstlerhaus im KunstKulturQuartier - Festsaal
Abendkasse: 16.00 € / ermäßigt: 10.00 €
VVK: 13.00 € / ermäßigt: 8.00 €
+ + + KRANKHEITSBEDINGTE PROGRAMMÄNDERUNG + + +
Verehrte Heimkehrer und Heimkehrerinnen,
der Sommer war lang, der Sommer war heiss, der Sommer war trocken.
Ein Vaterlandsverräter hat sogar das Sommerloch gestohlen!
Die Stacheldrahtbeerernte allerdings immerhin ist epochal!
Zur Sache:
Meister Egers hat die Pegnitz ausgesoffen und dann wieder voll auf Level gebrunst, Birdy hat die Zeit genutzt, eine Fortbildung absolviert und kann jetzt Hängenester aus Leinsamen klöppeln, was echt toll ist. Carmen hat sich ein drittes Ohr stechen lassen und einen Werbevertrag mit Bayer abgeschlossen sagt jetzt „Glyphosat“ statt „Aua“. Der Moll war aus Versehen beim Bader. Soweitsogut.
Jetzt sind sie alle wieder da.
+ + + LEIDER LEIDER hat Rolf Miller krankheitsbedingt absagen müssen. + + +
Wir wünschen Gute Besserung!! Immerhin hat der Meister Egers zugesagt, in sein Gewand zu schlüpfen und einen verblosen Satz mehr zu sprechen!
In der Zwischenzeit etwas Musik und zwar:
Das Langhaarigenduo aus dem Teil der Oberpfalz, der in Leipzig liegt. Sie spielen unverstärkten Rübenackermetal. Die sinnreich schöne Musik verfilzt sich unauflöslich mit einem unaussprechlichen Dialekt. Melodisch ist alles dabei von Bulldog bis Unimog.
Auch mit Musik, aber voll ganz anders:
Im Interview der stellvertretende Solofagottist der Staatsphilharmonie Nürnberg am hiesigen Staatstheater, Wolfgang Peßler. Genau dort dämmern am 11.Oktober die Götter (Regie: Georg Schmiedleitner). Da wird der Mann auch ordentlich in seine große Flöte hineinpusten (Egers freut sich jetzt schon). Außerdem ist Peßler, der von seinem Vater in Violine, Viola und Fagott unterrichtet worden ist, im deutsch-brasilianischen „Trio ad libitum“ und im „Enselble Gazpacho“ aktiv. Sein interkulturelles Interesse hat allerdings Konkurrenz bekommen: Der Vollblutmusiker Pessler studiert jetzt gerade nochmal Barockfagott. Kann man machen.
Sie sehen also, verehrte besorgte Bürger: Es hat nichts, aber auch gar nichts mit Comedy zu tun.
Drei Monate faulgelenzt und schon detonieren sie mit runderneuertem Schwung und der Frische eines frühen Wintereinbruchs, Meister M. Egersdörfer und seine Artverwandten, dorten im Komm, dem ehrwürdigen, in einem praktisch komplett besetzten großen Festsaal, am 13. Oktober 2015. Oder, um mit Wolf Haas zu sprechen: Bestform Hilfsausdruck!
Zum Start Schidl 'n' Schedl aus unserem oberpfälzischen Nachbarland Oberpfalz, mit waschbrettechtem Stuben-Metall, quasi empfangen unter dem Heavy Herrgottswinkel. Sie haben Zuwachs gekriegt für diesen Auftritt, dem Vernehmen nach gezeugt zwischen zwei Fleischsalaten: Philipp Moll am Reibegeräusch. Im Heimatdorf von Schidl 'n' Schedl scheint die altehrwürdige Kunst des Haareabschneidens endgültig ausgestorben zu sein, dafür hat's beim Schreien ordentlichen Impetus. Ob die Art der Darbietung der Verständlichkeit der Texte Abbruch tut, wird bis heute hitzig diskutiert. Das Publikum jedenfalls schien den Erstkontakt mit einer Musik, vor der es seine Enkel immer gewarnt hat, mit Erbauung überstanden zu haben.
Auch Bird Berlin ist wiederauferstanden, wie ein junger Luftballon hüpft er nachgerade schwebend über's Bühnentreppchen, frisch mit Glitzer bestäubt, die eine oder andere Ecke seines Prachtleibes nachgerundet und verbrämt mit Pulswärmern, deren Pink unwillkürlich an die letzten sehenden Augenblicke erinnert, die einem Kaktus kurz nach der Zündung einer Wasserstoffbombe vergönnt sind. Als wär das nicht genug, liest Birdy aus seinem umfangreichen Schaffen Einhorn-Lyrik vor, so possierlich und rosa, dass es mir rotierende Psychedelik-Spiralen vor die Augen schiebt. Große Schbütze!
Beim Direktkontakt mit ausgewählten Exemplaren aus dem Publikum erweist sich erneut die Treffsicherheit des Matthias Egersdörfer'schen Flitzpiependetektors. Klar, Rolf Miller ist an Scheißerei erkrankt, das ist extrem bedauerlich (insbesondere für den großartigen Kabarettisten selbst!), aber alles andere würde sich geziemen als deshalb gleich beleidigt zu sein. In seiner unermesslichen Gnade gibt der rot behemdete Weise mit dem zierlichen Haar (wohnh. i. Fürth) der maßlosen Dame zu bedenken, dass man in Franken doch seit jeher wisse, dass das ganze Leben ein verlorener Abend sei, wo also das Problem liege?
Eingehüllt in einen Sprühnebel aus aufgestauter Energie springt Carmen dem Meister bei. Doch wo ist ihre kotzhässliche lila Bluse? fragen wir – eingetauscht wurde sie, so sehen wir, gegen ein kotzhässliches schwarzes Top mit herziger Glitzerperlenapplikation. Rasch entspinnt sich ein Dialog zwischen den Ehegesponsen, der sich auswächst in ein fulminantes Statement zur sog. „Flüchtlingskrise“. Artverwandt verklickern Herr und Frau Carmen allen Klugschwätzern in Zeitung, Parlament und sozialen Medien, wo's lang geht. Der Depp, der die Welt per facebook-“Gefällt mir“ zu retten glaubt, und die gutmenschige Gebrauchtkleidungsdiebin entlarven sich gegenseitig. Wie aus einer Wunderlampe steigt aus dem Zwiegespräch eine Botschaft empor: wenn jemand zurecht über eine „Krise“ klagen und jammern darf, dann niemand sonst als die Flüchtlinge selbst, denen ein Tod durch Hunger, Durst, Ertrinken, Bomben sowie qualitativ hochwertige Sturmgewehre droht.
Ein Ischi-itschi-Calypso ertönt, Bernd Bird Berlin singt wie der Wind, der um die Gitterstäbe eines Käfigs säuselt, in dem eine weinende Fee auf einem Nagelbrett sitzt. Der shooting star Ahmed Iscitürk fordert seinen Raum auf der Bühne, wo er einen Kracher dem anderen folgen lässt. Waghalsige Pointen reihen sich Stoßstange an Stoßstange aneinander wie beim Stau auf der Südwesttangente: es gibt kein Entkommen. Ahmed ist der schmerzbefreiteste von allen, bei manch einem Wortspiel würden sich sogar Gymmicks Zehennägel aufrollen. Wird Ahmed, der nimmersatte Immigrant, Gymmick den „Abbeizplatz“ wegnehmen? Wohl kaum – denn der Quoten-Gostambuler schafft es ja nicht einmal, mehr als eine Laugenbrezel aufeinmal über sein Glied zu stülpen. Das wie stets schlaffe, wohlgemerkt.
Und dann? O can't you see? – it's Philipp Moll! Philipp Balthasar Moll, der vor und nach der Pause auftrat, eine Sprachgewalt heraushängen lassend, mit der er New York auf den Kopf stellen könnte. So einen habe, wie der weltberühmte Spurensicherer aus Fürth abschließend resümiert, Nürnberg nicht verdient. Ebensowenig wie die bezaubernde Carmen aka Claudia Schulz-Möhl. Wobei Moll, nebenbei bemerkt, in letzter Zeit von innen heraus zu leuchten begonnen hat. Als wäre da ein Reaktorkern heiß- oder die lavöse Inspiration derer sieben Tempelmusen hineingelaufen. Womöglich müsste da jemand mal Messungen anstellen. Nicht dass sich Nürnbergs, ach, ganz Mittelost-Südnordbayern-Weltdeutschlands begnadetster Dichter klammheimlich in eine Supernova verwandelt! Aber solange er nur weiterhin solch jenseitig schöne Wortfontänen speit, wär's mir auch recht.
Last but not least: Weltpremiere! Interview mit Fagott-Gott Wolfgang Peßler! Egersdörfer erklärt en passant die Oper mitsamt Orchestergraben, Regisseur und einem Siegfried auf dem Kühlschrank, als habe er das Genre vom Olymp aus selbst erfunden. Beplaudert derweil mit butterzarter Einfühlung den Peßler, dass eigentlich nichts näher liegt als eine 79-teilige Serie auf Arte: „Gespräche eines Egersdörfers über Musik und sonst alles.“ Mit Ahmed Iscitürk als Gleichstellungsbeauftragter. Ich tät's mir anschauen!
Ein das Weltenall zerreißender gespielter Witz tupft ein Sahnehäubchen auf das Feuerwerk der brandigen Metaphern – falls mir dieser Vergleich gestattet sei, der fachgerecht hinkt wie Sau. Schlussgerecht zusammengefasst: Wir zählen die Sekunden bis zum nächsten Mal!